Kürzen bei der Energiewende

SOLARFÖRDERUNG Die heftigen Einschnitte bei der Fotovoltaik halten selbst Abgeordnete der Regierungskoalition für überzogen

Mehr Ökostrom bedeutet weniger Einnahmen aus Gas- und Kohlekraftwerken

VON HANNES KOCH

BERLIN taz | Das Bundeskabinett hat am Mittwoch eine neue Kürzung der Förderung für Solarenergie beschlossen. Aber selbst aus den Fraktionen der Regierungskoalition im Bundestag kommt Kritik. So will CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt die niedrigeren Fördersätze, die schon ab 9. März gelten sollen, teilweise verschieben.

Das gebiete der „Vertrauensschutz“ für Investoren, die den Bau von Solarkraftwerken auf der Basis der bisherigen Förderung bereits geplant hätten, begründete Hasselfeldt ihren Vorstoß. Damit stellt sich erneut die Frage, ob die Absenkung grundsätzlich richtig ist oder sie einen Anschlag auf die Energiewende darstellt, wie der Branchenverband der Solarwirtschaft argumentiert.

Mit kleinen und großen Solaranlagen konnten Betreiber und Projektierer im vergangenen Jahr sehr gute Geschäfte machen. Besitzer von Wohnhäusern und Bauern erwirtschafteten teilweise zweistellige Renditen – staatlich garantiert über 20 Jahre. Möglich wurden diese unbeabsichtigt hohen Profite, weil die Preise für Solarmodule im vergangenen Jahr teilweise um die Hälfte einbrachen. Während deutsche Modulhersteller wie Solon, Q-Cells und Solarworld unter der scharfen Preiskonkurrenz aus China leiden, verdienen Projektentwickler und Betreiber von Anlagen gut, weil sie einerseits von den sinkenden Preisen, andererseits von der hohen Einspeisevergütung profitieren.

Nun wollen Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) die Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) so weit kappen, dass nach Berechnungen des Beratungsunternehmens Prognos der Profit für kleine Solaranlagen auf sechs bis acht Prozent pro Jahr sinkt, der Gewinn für große Freiflächen-Kraftwerke auf knapp zwei Prozent. Das heißt: Der Boom der Dachanlagen könnte weitergehen, während die Errichtung großer Solarparks in Deutschland sehr viel schwieriger wird.

Wegen der Förderkürzung bekommen die ohnehin angeschlagenen Hersteller von Fotovoltaik-Modulen nun zusätzliche Probleme. Solon in Berlin hat Insolvenz angemeldet, Q-Cells ringt mit seinen Gläubigern. Wäre es deshalb ratsam, mehr Geld zu zahlen, um eine Zukunftsindustrie zu schützen, die über Jahrzehnte aufgebaut wurde?

Nur etwa 20.000 von insgesamt rund 130.000 Beschäftigten in einheimischen Unternehmen arbeiten direkt in der Fertigung von PV-Zellen und Modulen. So muss die Politik abwägen zwischen einigen tausend Jobs und Milliarden Euro möglicherweise ungerechtfertigter Subventionen. Die Erfahrung etwa mit dem deutschen Kohlebergbau zeigt: Branchen, die zu nicht konkurrenzfähigen Preisen produzieren, lassen sich auf die Dauer kaum aufrechterhalten.

Und wie sieht es auf Seiten der Stromverbraucher aus – werden die Privathaushalte durch die Förderung der Solarenergie finanziell zu sehr belastet, wie besonders Rösler argumentiert? In der Tat braucht der Sonnenstrom, der bisher nur knapp 20 Prozent des Ökostroms ausmacht, gut die Hälfte der gesamten Einspeisevergütung für regenerative Energien – acht Milliarden Euro pro Jahr. Allerdings schlägt das für einen Dreipersonenhaushalt mit 3.000 Kilowattstunden jährlichen Stromverbrauchs monatlich nur mit knapp vier Euro zu Buche. Zudem hat Prognos berechnet, dass die weitere Solarförderung auf bisherigem Niveau selbst bei starkem Zubau bis 2016 nicht mal einen Cent pro Kilowattstunde zusätzlich beanspruchen würde. Der Grund: Solarstrom wird schnell billiger, und die aktuell hohen Kosten sind vor allem der teuren Subvention der Vergangenheit geschuldet.

Hinter der Debatte über die Solarförderung verbirgt sich auch ein Machtkampf in der Energiewirtschaft. Die konventionellen Unternehmen verlieren Marktanteile. 2011 sank die Einspeisung aus Atom-, Steinkohle- und Erdgasanlagen um 33 Terrawattstunden, Ökostrom nahm dagegen um 19 Terrawattstunden zu. Mehr erneuerbare Energie bedeutet weniger Strom aus den Kraftwerken der Konzerne Eon, RWE, Vattenfall, EnBW und der großen regionalen Versorger. Dagegen wehrt sich die alte Industrie, der Verband der Energiewirtschaft (BDEW) begrüßt deshalb die Kürzung.

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