Rettungsschirme auf 800 Milliarden erhöht: Wie eine „Atombombe“ konzipiert

Die Eurogruppe erhöht die Summe der Rettungsschirme. Doch Rechentricks und widersprüchliche Aussagen machen die gewünschte Wirkung zunichte.

Frankreichs Finanzminister François Baroin findet, die Rettungsschirme müssen zur „Abschreckung“ von Spekulanten beitragen. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Nach wochenlangem Tauziehen haben sich die 17 Finanzminister der Eurogruppe doch auf eine höhere „Brandmauer“ gegen die Schuldenkrise geeinigt. Statt der ursprünglich geplanten 500 Milliarden Euro werden die Eurorettungsschirme künftig 800 Milliarden umfassen, sagte Österreichs Finanzministerin Maria Fekter bei einem Krisentreffen in Kopenhagen.

Damit wird zwar die Schallgrenze von 1 Billion Euro verfehlt, die die OECD und zuletzt auch Frankreich gefordert hatten. In Dollar umgerechnet, sieht es aber anders aus: Dann stehen 1,06 Billionen Dollar zu Verfügung – und das sei „ein überzeugendes Signal für die Märkte“, gab sich Fektner sicher.

Das Geld soll aus dem bestehenden Rettungsschirm EFSF und dem neuen Stabilitätsmechanismus ESM kommen und die Stützung von Portugal oder Irland sichern. Beide Länder können sich derzeit nicht mehr an den Finanzmärkten mit Geld versorgen und sind daher auf Hilfe angewiesen. Außerdem soll das Geld ein Überspringen der Krise auf Italien oder Spanien verhindern.

Dagegen waren Deutschland und Finnland

Allerdings ist unklar, ob die 800 Milliarden reichen würden, falls auch diese Länder auf Hilfe angewiesen sein sollten. Frankreichs Finanzminister François Baroin hatte daher gefordert, die Rettungsschirme müssten wie eine „Atombombe“ konzipiert werden und zur „Abschreckung“ von Spekulanten beitragen. Eine Billion Euro müssten daher mindestens zusammenkommen.

Gegen eine weitere Erhöhung hatten sich zuletzt nur noch Deutschland und Finnland ausgesprochen. Die Bundesregierung wollte es ursprünglich sogar bei 500 Milliarden Euro belassen. Sie hatte die zunächst für Anfang März geplante Entscheidung immer wieder hinausgeschoben. Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) waren mit ihrer Haltung jedoch isoliert und stimmten schließlich zu.

Nach der Einigung in Kopenhagen kann Schäuble nun zumindest das Gesicht wahren. Denn es bleibt bei den 500 Milliarden, die für den ESM vorgesehen waren. Die Restsumme wird aus dem alten Rettungsschirm EFSF hinzugefügt, und das auch nur vorübergehend. Dennoch hat die Aufstockung, die erst nach etlichen Rechentricks möglich war, eine unangenehme Kehrseite: Damit steigt nämlich auch die Haftung für Deutschland – von zunächst 211 auf 250 Milliarden Euro.

Außerdem ist die Einheit dahin, mit der die Eurogruppe den Spekulanten die Stirn bieten wollte. Neben Baroin sorgte auch Fekter für Ärger – denn sie präsentierte die Einigung schon, bevor sie offiziell verkündet werden konnte. Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker empfand dies als Affront und sagte eine Pressekonferenz kurzerhand wutentbrannt ab.

Spanien muss sich Sorgen machen

Auch die Analysten der Banken reagierten enttäuscht. Der neue Milliardenfonds erinnere „an ein Rettungsboot, das wegen Überbeanspruchung in dem Moment zu sinken droht, wo es genutzt wird“, heißt es in einem Kommentar von M. M. Warburg. Sorgen muss sich nun vor allem Spanien machen. Das Land verfehlt nicht nur die EU-Vorgaben für das Budgetdefizit.

Die Regierung in Madrid hat auch große Probleme, die überschuldeten Banken mit frischem Geld zu versorgen. Deshalb sind die Zinsen für spanische Staatsanleihen in den letzten Tagen schon wieder in die Höhe geschossen, nachdem sie zu Beginn des Jahres deutlich gefallen waren. Zudem machen in Brüssel Gerüchte die Runde, wonach Spanien schon bald Hilfe aus dem neuen Rettungsschirm anfordern könnte.

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