Ebay entlässt Angestellte: Arbeitnehmer zu versteigern

Trotz hoher Gewinne entlässt Ebay in Dreilinden 400 Beschäftigte. Zuvor hatte das Auktionshaus Subventionen in Millionenhöhe bekommen. Die betroffenen Mitarbeiter hoffen auf einen umfassenden Sozialplan. Darüber wird am Freitag verhandelt.

Die ebay-Zentrale in Kleinmachnow bei Berlin Bild: dpa

Nachrichtensprecher, Zeitungsredakteur, Grundschullehrer, Eisverkäufer - Massimo Demontis hat schon so einige Jobs gemacht. Die Erwerbsbiografie des 45-Jährigen liest sich wie das klassische Beispiel eines Quereinsteigers in die Internetbranche: Vor neun Jahren hat Demontis angefangen, beim Internetauktionshaus Ebay zu arbeiten. An dessen Standort am einstigen Grenzübergang und heutigen "Europarc" Dreilinden hat er die italienische Internetseite mit aufgebaut, sie mit Inhalten gefüllt und Sicherheitsmechanismen gegen Betrug bei den Online-Versteigerungen mitentwickelt. Als Betriebsrat hat Demontis so einige Gefechte mit den Chefs ausgetragen, etwa um die Überwachung der Beschäftigten am Arbeitsplatz. "Wir hatten hier eigentlich eine gute Arbeitsatmosphäre geschaffen", sagt Demontis nachdenklich.

Trotzdem bangt er um seinen Job. Noch ist zwar noch unklar, wer entlassen wird. Doch sicher ist: 400 der 630 Beschäftigten von Ebay Deutschland werden in den nächsten Tagen ihre Kündigung erhalten. Bis Juni will das Unternehmen seinen europäischen Zweig umstrukturiert haben. Demontis Abteilung gehört zu den betroffenen.

Im Jahr 2000 ist Ebay aus seinen Berliner Gründerräumen in den "Europarc Dreilinden" nahe dem brandenburgischen Kleinmachnow, südlich von Berlin gezogen. Der Großteil der rund 1.000 MitarbeiterInnen war bisher mit der Betreuung der Kunden im europäischen Ausland beschäftigt, meist italienische, französische, polnische und andere Muttersprachler. Dieser Bereich wird nun nach Irland verlagert.

Insgesamt rund 600 MitarbeiterInnen bleiben in Dreilinden, für die deutschsprachige Kundenbetreuung, vor allem aber für Ebay-Töchter wie den Internetbezahldienst PayPal oder mobile.de, eine Online-Plattform für den An- und Verkauf von Autos. Trotz der Entlassungswelle habe Ebay seine langfristigen Mietverträge für alle drei Gebäude im Europarc Dreilinden nicht gekündigt, so der Vermieter DIC Asset AG.

Deutschland bleibt indessen einer der wichtigsten Märkte des Unternehmens: Deutsche Ebay-NutzerInnen verbringen nach Angaben des Unternehmens durchschnittlich 10,6 Prozent ihrer Online-Zeit auf der Auktionsplattform, 22,5 Millionen verschiedene Nutzer hätten ebay.de allein im Dezember 2009 besucht. sepu

"Ebay schreibt schwarze Zahlen. Es gibt überhaupt nicht die klassische Situation, dass es dem Unternehmen schlecht geht und es rationalisieren muss", sagt der Gewerkschafter Karl-Heinz Austermühle. 1,4 Milliarden US-Dollar (1 Milliarde Euro) Überschuss erwirtschaftete Ebay im letzten Quartal 2009, der Umsatz belief sich auf 2,4 Milliarden Dollar.

Damit liegt der Fall anders als meistens, wenn Austermühle im Auftrag von Ver.di als Sachverständiger und Berater von Betriebsräten tätig ist, wie jetzt bei Ebay. Ein weltweit tätiges Unternehmen will sich schlichtweg "neu aufstellen": Die Kundenbetreuung für die europäischen Länder wird ins irische Dublin verlagert, in Dreilinden verbleibt der Service für die deutschsprachigen Kunden. Außerdem arbeiten hier weiterhin 400 Beschäftigte für Ebay-Töchter wie den Online-Bezahldienst PayPal. "Wir wollen unsere Kundenbetreuung in ganz Europa verbessern und effizienter machen", heißt es lapidar in einer Mitteilung von Ebay. Darüber hinaus war von der Firma keine Äußerung zu erhalten. Für die Opfer der Umstrukturierung verhandeln Arbeitgeber und -nehmer einen Sozialplan. Am heutigen Freitag steht eine weitere Verhandlungsrunde am Bundesarbeitsgericht in Erfurt an.

Der wirtschaftliche Erfolg von Ebay bringt Austermühle und seine Klienten dabei in eine gute Verhandlungsposition: Sie können den Preis für den Stellenabbau hochtreiben. Denn: Einigen sich beide Seiten nicht auf einen Kompromiss, entscheidet ein neutraler Arbeitsrichter - auch auf Grundlage der Geschäftszahlen der Firma - über die Ausgleichszahlungen für die Entlassenen. "Unser Ziel ist, einen Nachteilsausgleich für den Arbeitsplatzverlust und womöglich geringere Löhne beim nächsten Arbeitgeber zu bekommen", so Austermühle. Das mit den geringeren Löhnen kündigt sich nämlich bereits an.

Schon heute greift Ebay bei vielen Kundenanfragen auf die Dienste der Competence Call Center GmbH (CCC) in Berlin-Friedrichshain zurück, das hat das Unternehmen gegenüber dem Tagesspiegel eingeräumt. Der Stundenlohn liege dort bei 8,50 Euro, gegenüber den 13 Euro bei Ebay, berichtet der Betriebsratsvorsitzende Sascha Korschofski: "Einige ehemalige Ebay-Kollegen arbeiten schon dort." Seit Wochen gingen CCC-MitarbeiterInnen in Dreilinden ein und aus, wohl um sich auf ihre künftigen Aufgaben vorzubereiten. Eine CCC-Sprecherin wollte sich "aufgrund vertraglicher Datenschutzbestimmungen mit unseren Auftraggebern" auf eine Anfrage hin nicht äußern.

Beim Land Brandenburg stößt das Vorgehen von Ebay auf Unverständnis. Man halte die Entscheidung zum Stellenabbau in Dreilinden für nicht nachvollziehbar, heißt es aus dem Hause von Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke). "Doch es bestand keine Einflussmöglichkeit auf das Unternehmen", betont dessen Sprecherin Claudia Lippert. Dafür hätte der Arm der Landespolitik bis in die USA reichen müssen. Denn die Entscheidung für die Entlassungen ist in der Konzernzentrale im kalifornischen San Jose gefallen.

Trotzdem kritisiert Ver.di-Mann Austermühle die Landespolitik: "Anscheinend ist der Stellenabbau im Land bei den Parteien durch die Bank kein Thema. Wir haben nicht gemerkt, dass da irgendjemand für die Arbeitsplätze kämpft." Dabei hat das Auktionshaus kräftig Subventionen vom Land kassiert: Zehn Millionen Euro, bestätigt ein Sprecher der InvestitionsBank Brandenburg eine taz-Anfrage, sind seit 2001 als Lohn- und Sachkostenförderung geflossen.

Die an die Zahlungen gebundenen Fristen für den Erhalt der Jobs seien bis 2008 weitgehend abgelaufen, nur für 45 MitarbeiterInnen dauerten sie noch an. Im Wirtschaftsministerium will man den Stellenabbau jedoch nicht als Fehlschuss der Förderpolitik verstanden wissen - immerhin seien zeitweise über 1.000 Arbeitsplätze entstanden. Schrille Töne wie von Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), der vor zwei Jahren den Nokia-Konzern als "Subventions-Heuschrecke" bezeichnete, als dieser ein Werk in Bochum schloss, sind aus Brandenburg nicht zu vernehmen. Immerhin will sich Arbeitsminister Günter Baaske (SPD) nun mit dem Betriebsrat treffen.

Dort glaubt man, dass die Umstrukturierung Ebay schaden wird. Mit den Rausschmissen verliere der Standort auch Zuständigkeiten und jahrelang aufgebautes Know-how für sensible Sicherheitsbereiche. "Wir kennen alle Tricks, mit denen Leute die Filtersysteme zu umgehen versuchen, um etwa Nazi-Artikel zu verkaufen", so Demontis. "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis das Image angekratzt ist." Ebay habe auf solche Warnungen nur geantwortet: Wir kennen das Risiko, wir werden es managen.

"Die Unternehmensphilosophie ist überhaupt sehr Wir-geprägt. Trotz der Massenentlassungen bei steigenden Gewinnen wird versucht, diese als Notwendigkeit zu verkaufen", schildert Gewerkschafter Austermühle seine Eindrücke. "Wir als Ebay sind etwas ganz Besonderes", laute weiter das Credo des Konzerns. Darum trägt auch jeder Beschäftigte eine Plakette mit den "Werten, Überzeugungen und Verhaltensweisen" der Firma bei sich. Einer der Grundsätze lautet: "Keep it human" - zu Deutsch etwa: Menschlichkeit bewahren.

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