Hellersdorf: Aufs Image bedacht

Die Bürgermeisterin redet die Probleme klein - ganz anders als ihr Neuköllner Kollege.

"Unser Ansatz ist es, die Bürger nicht zu stigmatisieren", lautet die Reaktion von Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle (Linke) auf die Ergebnisse des Monitorings Soziale Stadtentwicklung von voriger Woche. Dabei waren mehrere Hellersdorfer Kieze auf unteren Plätzen gelandet - nach Kriterien wie etwa Arbeitslosenrate, Anteil an Transferempfängern oder Zu- und Wegzug von Kindern unter 6 Jahren. Doch Pohle will von einer Negativentwicklung nichts wissen. "Wir haben gute Schulen, eine gute Wohnsubstanz und eine gute Infrastruktur."

Würde der Kiez mit den schlechtesten Sozialdaten nicht in Hellersdorf, sondern in Neukölln liegen, würde Bürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) durch alle Talkshows tingeln. Mit anschaulichen und drastischen Worten würde er über Familien reden, die in der dritten Generation arbeitslos sind, über türkische und arabische Großfamilien und Eltern, die das Kindergeld versaufen. Dass Neukölln ein sozialer Problembezirk ist, weiß man dank Buschkowsky inzwischen bundesweit. Der Campus Rütli ist ein Beispiel, dass er damit Erfolg hatte: Dorthin fließen jetzt viele Gelder von außen.

Pohle tut das Gegenteil von Buschkowsky: Sie redet schön. Als sich letztes Jahr in Marzahn durch Engagement der Kirche ein runder Tisch gegen Armut und Ausgrenzung bildete, musste das Bezirksamt lange gebeten werden, dort mitzumachen. Und die "Arche", die soziale Angebote für arme Kinder in Hellersdorf anbietet und diese Kinder bundesweit in Medien bringt, muss sich regelmäßig den Vorwurf gefallen lassen, den Bezirk zu stigmatisieren.

Die Befindlichkeiten teilt die Bürgermeisterin mit vielen Marzahnern und Hellersdorfern. Um sie zu verstehen, muss man in die 80er- und 90er-Jahre zurückschauen. In der DDR waren Plattenbauten keine Armutsfalle, sondern im Gegenteil für viele Menschen die Chance auf die erste Wohnung mit Innenklo, ohne Kohlenschleppen und mit einer guten sozialen Mischung.

Dass die Wohnungen nach der Wende von der westdeutschen Öffentlichkeit diskreditiert wurden, hat viele Bewohner verletzt. Und viele Plattenbauten sind durch den Abbau von Geschossen, durch Farbe und Kunst am Bau ansehnlicher geworden und machen die Bewohner stolz.

Wenn der Bezirk mit dem höchsten Anteil von Spätaussiedlern aber nur auf sein Image bedacht ist, gelangen die Probleme dieser Bewohner kaum in die Öffentlichkeit. Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern etwa schulen russlanddeutsche Ärzte nach, um den Ärztemangel zu beheben. Mit ähnlichen Programmen ließen sich in Berlin die zahlreichen russlanddeutschen Lehrer und Erzieher für Schulen und Kitas nachschulen. Auf die Idee ist noch niemand gekommen. MARINA MAI

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