Polizisten vor Gericht: "Der Corpsgeist der Polizei bröckelt"

Dank der zunehmenden Privatfilmerei auf Demos werden mehr Polizisten überführt, sagt der Rechtsanwalt Sven Richwin.

Polizei vs. Demonstranten. In letzter Zeit landeten verstärkt auch erstere vor Gericht. Bild: dpa, Steffen Kugler

taz: Herr Richwin, stimmt der Eindruck, dass mehr Polizisten als früher wegen Körperverletzung im Amt angeklagt und verurteilt werden?

Sven Richwin: Durchaus. Die Möglichkeiten, Polizisten zu überführen, sind erheblich größer geworden. Die Videotechnik und das Internet haben die Strafverfahren stark verändert. Das ist nicht nur meine Erfahrung, sondern auch die vieler Kollegen.

38, ist seit 2003 Rechtsanwalt. Er ist Mitglied des Republikanischen Anwaltsvereins und vertritt häufig Opfer polizeilicher Gewalt vor Gericht.

Hat der Fall des so genannten Mannes in Blau, der im Herbst 2009 vor laufender Kamera von Polizisten misshandelt worden ist, zu der Entwicklung beigetragen?

Das hat sich in den letzten ein, zwei Jahren so entwickelt. Der Mann in Blau hat nur mehr Aufsehen erregt als andere Fälle. Inzwischen hat man als Anwalt von Polizeiopfern verhältnismäßig gute Möglichkeiten, erfolgreich im Internet zu recherchieren.

Wie gehen Sie vor?

Wenn man bestimmte Ereignisse und bestimmte Daten eingibt, findet man im Internet in verschiedenen Netzwerken eine Fülle von Aufnahmen von Demonstrationen und öffentlichen Aktionen. Stundenlang Videos durchzuschauen ist sehr zeitaufwändig. Aber es lohnt sich, weil es im Einzelfall prozessentscheidend sein kann.

In der linksradikalen Szene gibt es Leute, die finden die private Filmerei auf Demonstrationen gar nicht gut.

Dahinter steckt die Angst, dass man als Demonstrant aufgrund dieser Aufnahmen selbst einer Strafverfolgung ausgesetzt werden könnte.

Ist das so?

Die Sorge ist für verständlich aber unbegründet. Der Anteil von Demonstranten, die aufgrund solcher Aufnahmen verurteilt worden sind, ist gering. Im Gegenteil: Viele Demonstranten, die zum Bespiel wegen Widerstands angeklagt waren, sind dadurch freigesprochen worden, und es wurden umgekehrt Strafverfahren gegen Polizeibeamte eingeleitet.

Wie könnten Privatfilmer die Identität Unbeteiligter besser schützen?

Sie könnten die Leute verpixelt ins Netz stellen. In den meisten Portalen gibt es die Möglichkeit, die Filmer per E-mail zu kontaktieren. Das habe ich auch schon mehrfach erfolgreich getan. Dann bekommt man die Rohfassung der Aufnahmen.

Zeitigt die private Filmerei bei der Polizei schon Folgen?

Mein Gefühl ist, dass der Corpsgeist bröckelt. Früher hätten die Beamten den angeklagten Kollegen als Zeugen versucht, reinzuwaschen. Jetzt müssen sie damit rechnen, dass noch irgendwelche Aufnahmen auftauchen. Da legen sie sich lieber nicht fest.

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