Linksextreme Gewalt: Die Angst der CDU vor den Linken

CDU-Kreischef Kurt Wansner und seine Fans in Friedrichshain-Kreuzberg informieren sich über linksextreme Gewalt. Die Fragen des Publikums offenbaren Hanebüchenes.

Es sollte wohl ein Witz sein. Doch dem Publikum, das sich im Saal der Bezirksverordnetenversammlung im Rathaus von Friedrichshain-Kreuzberg versammelt hat, ist nicht nach Scherzen zumute. Als "ein heißes Thema" hatte der Gastgeber den Gegenstand des heutigen Abends gerade bezeichnet. Der Titel: "Linke Gewalt - wo brennt es in Friedrichshain-Kreuzberg?" Doch wer sich am Dienstag ins Rathaus eingefunden hatte, wollte nicht lachen, sondern seinem Ärger und seinen Sorgen Luft machen.

Geladen hatte die Konrad-Adenauer-Stiftung. Gekommen sind CDU-Anhänger in sämtlichen Schattierungen: Bezirksverordnete, Mitglieder von CDU und Junger Union, Sympathisanten. Moderiert wird die Runde von einem, der sich hier ganz besonders zu Hause fühlt: Kurt Wansner, CDU-Abgeordneter, der seine politische Karriere einst hier begann. Ähnlich homogen wie das Publikum ist das Podium besetzt: Links und rechts von Wansner nehmen zwei Beamte des LKA Platz. Beide aus dem Dezernat 52, Staatsschutz, das zum Beispiel Gefährdungsanalysen vor Demonstrationen erstellt.

Stefan Redlich, Dezernatsleiter und für die Auswertung der sogenannten politisch motivierten Kriminalität zuständig, hat Zahlen mitgebracht. Er referiert über einen Anstieg linksextremer Gewalttaten im vergangenen Jahr, die Konzentration von angezündeten Autos in Friedrichshain-Kreuzberg und erklärt, dass 40 Prozent der linksextremen Straftaten aus Demonstrationen heraus verübt würden. "Einfach alles verbieten", raunt eine Frau in der letzten Reihe ihrer Nachbarin zu.

Redlichs Kollege Dirk Stoewhase zeigt weitere Grafiken, über die Zahl der Autobrände und Hintergründe zu vermuteten Tätern. Viele Zahlen sind bekannt, aus Studien, wie die über linke Gewalttäter, die der Verfassungsschutz Ende 2009 vorstellte.

Und dann spricht das Publikum. In einer der ersten Wortmeldungen wird eine flächendeckende Videoüberwachung gefordert. Kurz darauf vermutet ein Teilnehmer eine Verbindung zwischen Antideutschen und der Stasi. Ein weiterer fordert ein höhere Strafmaß für Angriffe auf Polizisten: "Jeder, der einen Polizisten angreift, zeigt, dass er die freiheitlich demokratische Grundordnung angreifen will." Eine Frau erzählt von "schrecklichen Gewaltvideos" auf YouTube, ein Mann sieht überhaupt keinen Unterschied zwischen rechtsextremer und linksextremer Gewalt.

Redlich schüttelt den Kopf, wiegelt ab, betont, dass man Gewalt von rechts und links keineswegs in einen Topf werfen dürfe, weil erstere sich weitaus häufiger gegen Menschen richtete, sogar deren Tod zum Ziel hätte. Er plädiert gegen eine flächendeckende Videoüberwachung, weil eine Stadt dann nicht mehr lebenswert sei. Und gegen das Verbot von Demonstrationen. "Wir wollen das Demonstrationsrecht durchsetzen und nicht etwas verbieten." Die Fragenden, erst skeptisch, beugen sich der Autorität der Staatsmacht. Das ist schließlich etwas, das sie von anderen auch fordern.

Die zeigt zum Schluss, dass ihrer Macht Grenzen gesetzt sind. Zum Beispiel dann, wenn es darum geht, Autoanzünder zu verfolgen. Nicht nur, dass der Täter längst über alle Berge sei, wenn der Brand sichtbar werde. Es gebe auch keine Täter-Opfer-Beziehung, nicht einmal eine "Verwertung" nach der Tat, wie beim Verkauf geklauter Ware. Daher müsse die Gesellschaft ein Zeichen setzen und Gewalt grundsätzlich ächten. Und damit dürfen sich die Anwesenden wieder auf der richtigen Seite fühlen.

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