Fahrradsternfahrt in Berlin: Die Autobahn-Liebhaber

Hunderttausende radeln bei der traditionellen Fahrradsternfahrt des ADFC über die Stadtautobahn. Aber wie stehen die Teilnehmer eigentlich zur geplanten Verlängerung der A100? Eine nicht repräsentative Umfrage.

Die haben die Autobahn lange hinter sich: Teilnehmer der Sternfahrt am Zielpunkt Brandenburger Tor Bild: dpa

Da waren sie wieder. Zehntausend. Hunderttausende. Wer will sich da schon festlegen? Jedenfalls eine richtig große Menge Radfahrer kam am Sonntag zur traditionellen Sternfahrt des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC). Und ein Großteil von ihnen staute sich am Mittag auf der Grenzallee in Neukölln. Denn ab da führt die Route über die Stadtautobahn gen Westen - ganz ohne Autos. Dafür warten die Radler bis zu einer Stunde. Der beste Ort also, um mal zu fragen, was sie davon halten, dass der Senat die A 100 Richtung Norden nach Treptow und Friedrichshain verlängern will.

"Das ist gar keine schlechte Idee", sagt der als erstes befragte 28-jährige Medizinrechtler. Der Zweite stimmt zu. "Ich muss genau die Strecke zur Arbeit entlang." Mit dem Auto? "Klar, das muss ja auch bewegt werden", erklärt der 66-jährige im Radsportdress. "Der Autobahnring entlastet die Innenstadt", argumentiert dann eine Mittdreißigerin. Zwar könne man in der City auch radeln. "Zur Arbeit aber nur, wenn der Dienstherr eine Dusche zur Verfügung stellen würde."

An der traditionellen Fahrrad-Sternfahrt in Berlin und im Umland haben am Sonntag nach Angaben der Veranstalter rund 200.000 Menschen teilgenommen. Unter ihnen seien viele Familien und Radler aus anderen Bundesländern gewesen, sagte eine Sprecherin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Das parallel ausgerichtete Umweltfestival nahe dem Brandenburger Tor zog rund 130 000 Menschen an.

Die Teilnehmer des Radkorsos fuhren auf 19 Routen in Richtung Großer Stern, wo die Letzten des Feldes am Nachmittag eintrafen. Teilweise führten die Routen über die Berliner Stadtautobahn und die AVUS. Beide waren nach Polizeiangaben am frühen Nachmittag wieder für den Verkehr freigegeben.

Die ADFC-Sprecherin zeigte sich mit der "phantastischen" Veranstaltung bei strahlendem Sonnenschein sehr zufrieden. Ziel der Demonstration unter dem Motto "Radfahren - aber sicher!" sei es gewesen, dafür einzutreten, das Fahrrad als "vollwertiges Verkehrsmittel" anzuerkennen. Im vergangenen Jahr hatten an der Aktion rund 100 000 Radler teilgenommen. (ddp, taz)

Fast möchte man schon verzweifeln, da kommt ein 58-Jähriger. Autobahnausbau? "Das ist Scheiße", schimpft der Graubärtige. Schon wegen der alten Bäume im Treptower Park. Er entpuppt sich als Gartenbaulehrer an einer Waldorfschule. Das eröffnet eine neue Strategie für diese Umfrage. Da sie nie und nimmer repräsentativ wird, kann man auch gleich gezielt Prototypen rauspicken. Etwa den mit der "Atomkraft-Nein-Danke"-Fahne am Gepäckträger. "Ich bin für die Autobahn, das entlastet die Wohnviertel", überrascht der Kernkraftgegner. Dann wird eben das Paar da mit den Kindern gefragt. Er ist schließlich taz-Redakteur und aufrechter Autobahngegner. Sie aber meint: "Ach ich bin mir da gar nicht so sicher. Am besten wäre, es gäbe neben jeder Autobahn einen Radweg, da käme man wenigstens voran."

Eine junge Frau, die auf ihrem Rucksack "Fahrradwege statt A100" fordert, erklärt sich das Umfrageergebnis damit, dass die meisten Sternfahrtteilnehmer nur wegen des Events kämen. Doch so einfach ist es nicht. Ein Bierfahrer gibt offen zu, dass er vor allem wegen der Radfahrt durch den Autobahntunnel gekommen ist. Den Ausbau der Strecke hält er dennoch für "Schwachsinn". Umgekehrt meinen zwei RadlerInnen mit Greenpeace-Shirts, dass man das nicht so pauschal ablehnen dürfe. "Da muss man erst eine Energiebilanz ziehen".

Am Ende ist die Hälfte der Befragten für den Ausbau. Nur jeder sechste dagegen. Der Rest ist unentschieden. Aber wie gesagt: Diese Umfrage ist auf keinen Fall repräsentativ. Und vielleicht ist das alles ja nur eine langfristige Strategie. "Autobahnverlängerung? Das ist super!", sagt ein 40-Jähriger mit einem Lächeln. "Da kann man dann später auch mal mit dem Rad drüber fahren!" Dann schiebt er ab, Richtung Autobahnauffahrt.

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