Interview zum Holocaust-Gedenktag: "Zigeuner ist eine Beleidigung"

Das ewige Gezerre um ein Mahnmal fürdie Sinti und Romaim Tiergarten ist "eine Farce", sagt Hamze Bytyci, Vorsitzender von Amaro Drom, einer Jugendorganisation der Sinti und Roma.

taz: Herr Bytyci, als Vorsitzender von Amaro Drom arbeiten Sie für die Völkerverständigung unter jungen Menschen. Schlagen Ihnen als Rom viele Vorurteile seitens anderer Jugendlicher entgegen?

Hamze Bytyci: Selbstverständlich. Ich mache dafür aber nicht die Jugendlichen verantwortlich, sondern das Problem sind die Eltern und die Schule. Die Vorurteile werden den Jugendlichen da beigebracht. Die größte Beleidigung, die man einem Rom machen kann, ist immer noch, ihn "Du Zigeuner" zu nennen. Deswegen finde ich es schwierig, dieses Wort überhaupt in den Mund zu nehmen. Wenn ich das Wort nicht vermeiden kann, dann verwende ich Ausdrücke wie "als Zigeuner bezeichneten".

Engagieren Sie sich deswegen für den Austausch zwischen Sinti, Roma und Deutschen?

Ja. Wir organisieren vom internationalen Roma-Netzwerk aus jedes Jahr am 2. August, dem "Tag des Holocaust" an den Sinti und Roma, Jugendbegnungsfahrten nach Auschwitz. Wir wollen den Jugendlichen zeigen, welche Gräueltaten in deutschem Namen begangen wurden. Trotzdem dürfen wir unseren deutschen Freunden nicht die ausgestreckte Hand verwehren.

Gehört dazu auch das Mahnmal für die von den Nazis ermordeten Sinti und Roma?

Was da passiert, ist eine Farce. Jeder im Dritten Reich verfolgten Gruppe oder Minderheit wurde ein Denkmal gewidmet. Nur bei den Sinti und Roma wird es immer wieder aus irgendeinem lächerlichen Grund verschoben. Am 27. Januar, dem Gedenktag des Holocaust, darf dann der ein oder andere Überlebende mal mit in den Bundestag oder der Vorsitzende des Zentralrats der Roma, Romani Rose, darf bei Herrn Wulffs offizieller Feier in Auschwitz etwas vortragen. Dabei haben die Überlebenden des Holocaust ein Recht darauf, dass ihnen Tribut und Ehre gezollt wird. Diese Menschen haben nicht mehr die Zeit, diese politischen Spielchen mitzuspielen.

Was sind das für Spielchen?

Die Bundesregierung wirft bewusst Zankäpfel in die Runde, etwa dass auf dem Mahnmal "Zigeuner" stehen sollte. Das ist absurd und unverschämt. Das hat der Zentralrat der Roma mit Recht abgelehnt, weil das Wort eine Fremdbezeichnung ist. Aber auch die Suche nach einem Architekten hat die Planung verzögert. Romani Rose wollte ja den Israeli Dani Karavan haben, obwohl wir mindestens genauso begabte Künstler aus Osteuropa haben. Und jetzt sollen es bauliche Probleme sein, die das Denkmal wieder aufhalten.

Wird denn unter jugendlichen Roma überhaupt noch über den Holocaust nachgedacht?

Leider nur relativ wenig. Deswegen sind wir stolz darauf, dass wir diese Auschwitz-Fahrten organisieren. Die Jugendlichen fangen aber auch wieder an, ihre Eltern zu befragen. Doch leider wissen viele Eltern selber nichts über diese Zeit, weil darüber nicht gesprochen wurde. Diese Wissenslücke kann man nicht von heute auf morgen füllen.

Woher kommt diese Lücke?

Die Verfolgung der Sinti und Roma ist generell ein blinder Fleck in der Geschichte. Da haben sich nicht nur die Deutschen unrühmlich verhalten, auch die Kirche zum Beispiel hat Fehler begangen. Viele wissen nicht, dass die Roma bereits im Mittelalter für vogelfrei erklärt worden sind. Wenn dann heute noch tausende Roma ins Kosovo abgeschoben werden, sehe ich leider wieder Parallelen zu früher. Deportationen haben immer einen bitteren Beigeschmack.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.