Straßenfest in Friedrichshain: Die Suppe als politischer Magnet

Auf einem Straßenfest in Friedrichshain geht es um das Miteinander im Kiez, ehrenamtliches Engagement und die Vernetzung von lokalen Initiativen. Das Fest ist gut besucht. Doch bei so manchem der Anwesenden kommt die Suppe besser an als die Politik.

Von Kartoffelsuppe bis Chili con carne - das Angebot war auf dem Straßenfest groß. Bild: biong/photocase.de

Der metallene Kochtopf ist schon leicht verbeult, aber zumindest groß. Mehrere Dutzend Liter Suppe werden dort hineinpassen, wie viel genau, das weiß selbst der Koch nicht. "Ich mache das heute alles aus dem Bauch heraus", sagt Matthias Barthmann.

Barthmann ist Leiter des Kinderprojekts Die Nische im Stralauer Kiez. Dass er mit einem überdimensionierten Kochtopf und zwei Kisten voller Gemüse in einer improvisierten Großküche auf einem Hinterhof in Friedrichshain steht, verdankt er den Organisatoren des Straßenfestes "Suppe und Mucke". Das Fest soll, so die Idee der Macher, den Zusammenhalt im Kiez festigen, zu ehrenamtlichem Engagement ermuntern und Initiativen vernetzen. "Soupport your Kiez" steht deshalb an dem improvisierten Kochzelt.

Die Linsen hat Barthmann schon in den Topf gekippt und mit Wasser bedeckt, sodass sie quellen können. Nun schneidet er mit zwei Helfern Lauch, Zwiebeln und Zucchini und schält einen Berg an Kartoffeln. "Wichtig ist, dass kein sehr wasserhaltiges Gemüse dazukommt wie Tomaten oder Paprika", sagt er. Während er Kartoffel um Kartoffel von der Schale befreit, dichtet eine junge Frau das Zelt mit Frischhaltefolie ab: Gerade hat ein Mann vom Lebensmittelaufsichtsamt vorbeigeschaut und bemängelt, dass Dreck durch die Ritzen und in die Suppen fliegen könnte. "Neunmal geht das gut und beim zehnten Mal wird dann doch eine Suppe kontaminiert", hat er gesagt. Und angekündigt, in zwei Stunden noch mal zu kommen.

Angelika, Köchin im RAW-Tempel, steht neben dem Zelt und raucht. "Friedrichshain ist gerade im Umbruch, die Mieten ziehen an, Kulturprojekte sind gefährdet", sagt sie. Daher sei es wichtig, die Leute zusammenzubringen, Kontakte zu knüpfen, sich gegenseitig zu unterstützen - damit im Ernstfall Unterstützer zum Beispiel für den Erhalt eines Projekts auf die Straße gehen. Auch Matthias Barthmann meint: "Unsere Einrichtung hat zwar seit 20 Jahren guten Zulauf, doch wir haben nur eine Stelle. Und aus einer Stelle kann ganz schnell keine Stelle werden."

Nicht alle der rund 60 Initiativen, die am Samstag auf der Schreiner- und Samariterstraße in Friedrichshain stehen, haben überhaupt eine öffentliche Förderung. Die Aktivisten von Mediaspree entern sind dabei, Mitstreiter des bevorstehenden Intersquat-Festivals und das Tacheles, das seit mehreren Wochen die Räumung befürchtet. Allen geht es darum, Präsenz zu zeigen, auf das eigene Anliegen aufmerksam zu machen, im besten Fall neue Mitstreiter zu finden. Die kostenlosen Suppen wirken da wie Magnete: Wer erst einmal an einem Stand ist, um sich seinen Teller vollschöpfen zu lassen, nimmt vielleicht auch noch einen Flyer mit oder wirft etwas Geld in die Spendendose.

Am Stand von Barthmanns Linsensuppe steht eine Menschentraube: Wie es immer so ist, wenn sich irgendwo erst eine Schlange bildet, stellen sich die Vorbeikommenden automatisch an. Der Geruch nach Linsen mit einem Hauch Zimt der auf kleiner Flamme köchelnden Suppe passt zu den Duftwolken des Kartoffeleintopfs, die vom Stand schräg gegenüber über die Straße wehen. Viel Zimt, viel Honig, viel Chili, das hatte Barthmann beim Kochen gesagt, müsse in die Suppe. Sein Rezept geht auf: Schon zwei Stunden nach Beginn des Fests ist der Großteil der Suppe aufgegessen.

Doch nicht immer klappt es, die Besucher über die Suppe hinaus zu begeistern. "Keine Ahnung, was das für ein Stand war, von dem die Suppe jetzt kommt", sagt eine junge Frau und dreht sich in Richtung des Topfes um. Ihre Freundin kann sich zwar noch an die letzten beiden Suppen und einen Künstler auf einer der Bühnen erinnern - an die Initiativen, die die Suppe ausschenkten, jedoch nicht mehr.

Eine Straße weiter, am Stand des Nachbarschaftsgartens "Rosa Rose", scheint das besser zu funktionieren. Bei Chili con carne mit Ananas bringen Shermin und Georg Pflanzen und Ideen unter die Besucher. "Suppe schafft immer gleich ein warmes Verhältnis", sagt Georg. Nach ihrem Umzug suchen die Gärtner noch Mitstreiter für das Pflanzen am neuen Standort. "Ich glaube, hier sind schon viele interessierte Leute", sagt Shermin.

Als am frühen Abend die Töpfe leer sind, sammeln sich die Festbesucher vor den Bühnen. Die Musik wird lauter, die zahlreichen Eltern mit kleinen Kindern gehen nach Hause. Am Stand der Nische ist das Gas abgedreht, die Spendenkasse eingepackt. Nur noch auf dem Bordstein stehen einsam ein paar leere Suppenschalen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.