Glatte Gehwege: Eiskalt erwischt

Die Bezirke gehen mit Bußgeldern gegen Schlamperei bei der Räumung von Gehwegen vor. Betroffen sind auch Firmen, die von den Bezirken selbst beauftragt wurden.

Thomas Wenke hat sich verrechnet. "Wir haben einen Fehler gemacht, einfach einen Fehler gemacht", sagt der Geschäftsführer der Elex Winterdienst GmbH. "Wir dachten, wenn man in diesen Zeiten bei steigenden Kosten Umsätze machen will, dann muss man bei solchen Ausschreibungen mitbieten." Also hat er mitgeboten, genau wie acht andere Unternehmen, als das Landesverwaltungsamt Berlin den Auftrag ausgeschrieben hatte. "Winterdienst für öffentliche Dienststellen in Berlin, Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf", hieß es in der Ausschreibung, "ca. 429 Objekte".

Das war am 19. Juni 2009. Mitten im Sommer. Die Winter der letzten Jahre waren recht milde. Wenke bot an, den Auftrag für 526.659 Euro zu übernehmen, zuzüglich Mehrwertsteuer. Niemand war billiger. Er bekam den Zuschlag. Dann kam der Winter.

"Das ist ein wirklich extremer Winter, wie ich ihn in 30 Jahren noch nicht erlebt habe", sagt Wenke. "Da muss man als Bürger auch Verständnis haben, dass die Schneeräumung nicht so schnell geht wie sonst."

Aber die Bürger haben kein Verständnis. Die Bürger erwarten, dass sie über die Bürgersteige vor den bezirkseigenen Gebäuden gehen können, ohne sich die Knochen zu brechen - zumal nach sechs Wochen Kälte. Sie haben schließlich aus ihren Steuergeldern 526.659 Euro bezahlt, zuzüglich Mehrwertsteuer, und dafür wollen sie die vereinbarte Leistung.

Klaus-Dieter Gröhler soll den Bürgerwillen durchsetzen. Der CDU-Baustadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf sagt, die Leistung der privaten Dienstleister sei "in den ersten Wochen nicht zufriedenstellend" gewesen. Das Grundproblem war natürlich der Winter. "Wir hatten ja nie eine Situation, wo wir vom 31. Dezember bis Mitte Februar eine geschlossene Schneedecke hatten, zumindest nicht in den vergangenen 20 Jahren", sagt Gröhler. "Aber wir hatten Schulen, an denen der Winterdienst über drei oder vier Tage gar nicht erst angetreten ist." Die kilometerlangen Gehwege rund um die Jungfernheide seien zum Teil überhaupt nicht geräumt worden. Die Besucher der Grünen Woche mussten durch Schnee waten. In anderen Bezirken sieht es nicht besser aus. Friedrichshain-Kreuzberg etwa zahlt 389.420 Euro an das Unternehmen Gegenbauer, die Winterdienst-Gesellschaft Süd-Ost GmbH erhält 453.621 Euro aus Lichtenberg und 431.189 Euro aus Treptow-Köpenick.

"Wenn der Auftraggeber unzufrieden ist, kann ich das bedingt nachvollziehen", sagt Bernd Ludwig von der EBU Recycling GmbH, die 489.993 Euro vom Bezirk Tempelhof-Schöneberg erhält. Das Problem war auch für Ludwig, "dass wir Winter hatten wie seit 31 Jahren nicht mehr".

Warum hat das Landesverwaltungsamt Aufträge an Unternehmen vergeben, die damit überfordert sind? "Während des Vergabeverfahrens werden bei Bietern, die für den Zuschlag in Betracht kommen, grundsätzlich Betriebsbesichtigungen durchgeführt", sagt Nicola Rothermel, Sprecherin von Innensenator Ehrhart Körting (SPD), dem das Landesverwaltungsamt untergeordnet ist. Dabei wird auch der Fuhrpark begutachtet und ob "eine ordnungsgemäße Durchführung des Winterdienstes plausibel ist", so Rothermel. Endgültig könne aber nur der Bieter selbst abschätzen, ob er den Auftrag auch erfüllen kann, "weil nur er weiß, welche weiteren Aufträge er erhalten hat oder noch zu erhalten gedenkt".

In den Verträgen steht, dass die Bezirke die Zahlung verweigern können, wenn die Leistung nicht erbracht wird. "Wir rechnen noch", sagt Stadtrat Gröhler. Erst zum Abschluss des Winters werde das genau feststehen.

Außerdem beauftragen die Bezirke andere Unternehmen, die Glätte zu bekämpfen. Die Kosten muss die Firma tragen, die den Schnee hat liegen lassen. In Friedrichshain-Kreuzberg ist das Gegenbauer. "Wir sind sehr unzufrieden mit dem Unternehmen", sagt Ordnungsstadtrat Peter Beckers (SPD).

Er geht einen überraschenden Weg: Weil vor den Gebäuden des Bezirks nicht geräumt ist, hat er mehrere Bußgeldverfahren eingeleitet. Beckers verhängt sozusagen Bußgelder gegen sich selbst. Aber nicht wirklich: Denn der Winterdienst "übernimmt alle haftungsrechtliche Verantwortung des Anliegers", erklärt die Sprecherin des Innensenators. Am Ende muss das Unternehmen das Bußgeld zahlen.

Wenke will dieses Jahr wohl nicht noch mal bei der Ausschreibung des Winterdienstes mitbieten.

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