Öko-Disko: Feste feiern, wie sie treten

Je vier Gäste müssen auf Fahrrädern stampeln, sonst geht die Musik aus: Die Green Music 25 Fahrrad Disco verbindet Feiern mit Klimaschutz

Zu wenig Radler, zu wenig Strom. Und mit dem historischen Miniklapprad aus Altlandsberg geht es schon gar nicht. Bild: DPA

William Laubert keucht, als würde er gerade einen Viertausender besteigen. "Der totale Burner", ruft er außer Atem und tritt zu elektronischer Musik wie ein Wahnsinniger in die Pedale seines Fahrrads, das auf einem Gestell festgeschraubt ist. Der 26-Jährige trägt eine Pelzmütze, eine neongrüne Sonnenbrille und eine Uhr ohne Zeiger. Hätte sie einen, würde der auf vier nach sieben stehen, als die Radlerin neben Laubert absteigt. Kurz danach geht die Musik aus. Zu wenig Radler, zu wenig Strom. Die Musikanlage auf dieser Party funktioniert nur, wenn vier Fahrer gleichzeitig in die Pedale treten und die Anlage mit genügen Saft versorgen. Das ist das Konzept der "Green Music 25 Fahrrad Disco", die vorigen Donnerstag zum ersten Mal im Treptower Park stattfand.

Die Idee zur Party ohne Strom aus der Steckdose stammt aus den USA. In Berlin kümmert sich darum Jacob Bilabel, der Gründer der Umweltinitiative Green Music, die sich für eine ökologische Musikproduktion und Distribution einsetzt. In Zusammenarbeit mit der Umweltschutzstiftung Reset, dem Szene-Club Bar 25 und der Umwelt-Initiative Morgenwelt hat Bilabel die Öko-Disko auf die Beine gestellt. Die Idee: Eine Möglichkeit für einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Planeten aufzeigen. "Aber einen, der nichts mit Verzicht zu tun hat, sondern Spaß macht", sagt Jacob Bilabel.

Um kurz nach fünf am Donnerstagnachmittag starten rund 250 Radfahrer von der Bar 25 in Friedrichshain zu einem "geheimen Ort", an dem die Party stattfinden soll - eine Wiese rechts neben dem Springbrunnen im Treptower Park. Auf dem Party-Rasen ist eine improvisierte Bar aufgebaut - ein wackliger Holztisch mit einer versifften, alten Stehlampe und einem Eimer für anfallende Kronkorken. Es gibt Bier und Radler, es riecht nach Rasen und Gras. DJ Dirty Doering stöpselt das Mischpult an den Laptop und verbindet die Musikanlage mit den Fahrrädern, die den Strom liefern sollen.

Dann geht's los. William Laubert tritt in die Pedale. Neben ihm steigen zwei Männer auf die Räder und eine Frau mit Leopardenprint-Leggins. Ein Plastik-Reh bohrt sich durch ihr rechtes Ohrläppchen. Als die vier zu strampeln beginnen, hebt und senkt sich in einer zwei Meter hohen, durchsichtigen Röhre eine alte Cola-Dose - je nachdem, wie stark der Stromfluss ist. Berührt die Dose den Boden der Röhre, produzieren die Party-Sportler nicht genug Strom für die Anlage und die Musik geht aus. Das Optimum: Die Dose bleibt im grünen Bereich, die Radler produzieren rund 400 Watt. Man braucht mehr, wenn das jeweilige Musikstück mehr Bass hat, und weniger, wenn es aus vielen Hochtönen besteht.

Die Gäste, die sich im Halbkreis um die Radler versammelt haben, grölen. Sekundenlang ist nur das Surren der Fahrradreifen zu hören, die sich auf dem Gestell drehen. Dann ertönen die ersten Takte: Elektronisches Wummern donnert aus den Boxen, ein Fiepen, dann regelmäßige Bassbeats.

Anstrengend war's, wird Laubert später erzählen. Weil man immer dem Druck ausgesetzt sei, die Dose im grünen Bereich zu halten. Und "irgendwie geil" sei es auch gewesen, weil 100 der 250 Gäste rundherum standen und ihm zugejubelt haben. "Da entsteht eine richtige Interaktion zwischen DJ, Publikum und den Radfahrern. Und es ist umweltfreundlich. Ein klasse Konzept." Das findet auch Steffi Lotta von der Bar 25. "Wundert mich", sagt sie, "dass es nur so wenig Strom braucht, um eine Party zu feiern" Am Rand der Wiese stehen Ina Gehlker und Sushia Philipson. Sie fühlen sich ein bisschen beobachtet von all den Kameras und Fotografen, aber die Musik sei klasse. Und die Idee auch. "Ich fahre sowieso dauernd Fahrrad", sagt Gehlker, "warum also nicht auch mal radeln, damit andere tanzen können."

Zwei Stunden dauert die Party ohne Stromanschluss. Um kurz nach acht ist alle Energie verbraucht. Jacob Bilabel pendelt zwischen vier Mann vom Ordnungsamt, Polizei und einer Radiojournalistin. "Keinen Ausweis dabei", sagt er zu einem Ordnungsbeamten, der aussieht wie Oliver Hardy, und: "Das Pilotprojekt ist schon mal gut gelaufen, jetzt schauen wir, wie wir's optimieren können", ins Mikrofon der Reporterin.

Drumherum stapeln Helfer Bierkisten und Musikboxen in den Kleinlaster und das Gestell, auf dem bis eben mit Fahrrädern Strom erzeugt wurde, auf einen Fahrradanhänger. "Scheiß Ordnungsamt", flucht Bilabel, als er durch den Sonnenuntergang in Richtung Bar 25 zurück radelt. Eigentlich sollte es dort weitergehen. Aber die Partygäste dort hören lieber Musik, die aus der Steckdose gespeist wird.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.