Neonazi verurteilt: Geldstrafe für Nazi-Vokabular

Gericht verurteilt Neonazi, weil er bei einer Gedenkfeier für den Hitler-Attentäter Elser einen Teilnehmer beleidigte.

Andreas R. sitzt auf der Anklagebank wie ein Schüler, der eine Dummheit begangen hat. Das zumindest vermitteln sein Anzug und der schüchterne Blick. Der 25-Jährige muss sich vor dem Amtsgericht Oranienburg wegen Beleidigung verantworten. "Dich hat man in Auschwitz vergessen. Du weißt nicht, dass du mit einem Bein im Grab stehst" - das soll er bei einer Gedenkfeier für den Hitler-Attentäter Georg Elser im April zu einem Besucher gesagt haben.

Der Angeklagte, ein wegen Beleidigung vorbestrafter NPDler, hatte sich während der Veranstaltung im Bürgerzentrum Oranienburg zusammen mit mehreren rechten Gesinnungsgenossen vor dem Gebäude positioniert. Die Neonazis hielten Plakate mit Namen der bei dem Attentat 1939 getöteten NSDAP-Mitglieder hoch. Lothar E., ein Teilnehmer der Gedenkveranstaltung, sprach die Gruppe auf die Verbrechen der Nationalsozialisten an. Daraufhin soll der Angeklagte die Beleidigung ausgesprochen haben. Es kam zum Streit, beide wurden von zwei Polizisten getrennt. An diesem Dienstag wurde die Sache vor Gericht verhandelt.

Andreas R. gibt an, seine Äußerungen hätten sich lediglich auf den Gesundheitszustand des 56-jährigen E. bezogen: "Ich hab gesagt, er soll sich nicht aufregen. Sonst kriegt er noch einen Herzkasper und steht schon mit einem Bein im Grab." Die Staatsanwältin fragt, wer das Gespräch begonnen hätte. R. lugt auf den vor ihm liegenden Zettel: "Er hat mich angesprochen." Die passive Rolle seines Mandanten versucht auch der Anwalt zu betonen: "Der Polizist hat sich also um Herrn E. gekümmert. Hm." Er wendet sich zur Richterin: "Keine weiteren Fragen." Die ruft den Kläger als Zeugen in den Saal.

Lothar betritt wiegenden Schrittes den Saal, umrundet großzügig den Zeugenstuhl - kurzer Blick ins Publikum - und setzt sich. Die Befragung ist mühsam, die Richterin muss E. mehrmals um Ruhe bitten. Schließlich gelingt es ihr zu rekonstruieren, was aus seiner Sicht der Dinge geschehen ist: Er hatte die Neonazis angesprochen, anschließend hatte R. ihn beleidigt. Daraufhin hatte er bei einem der Polizisten Anzeige erstatten wollen, der ihn zurück in den Saal geführt hatte. Die Anzeige gab er dann nach der Veranstaltung auf.

Ob die Aussage des Angeklagten missverständlich gewesen sei, will die Richterin wissen. Der 56-Jährige entgegnet aufgebracht: "Wenn mir ein Faschist so was sagt, beziehe ich das auf eine faschistische blutrünstige Tradition." "Hier geht es aber um die strafrechtliche Verantwortlichkeit", weist ihn die Juristin zurecht.

Das Gericht braucht zur Beratung über das Urteil länger als angekündigt. Auf dem Flur stehend, wird ein Begleiter des Angeklagten ungeduldig. "Das dauert immer länger", beruhigt der seinen Freund.

Schließlich wird Andreas R. zu einer Geldstrafe von 1.750 Euro wegen Beleidigung verurteilt. Die Zeugen hätten die Aussagen des Klägers bestätigt, so die Richterin. Dass R. mit seiner Äußerung auf dessen Gesundheitszustand angespielt hätte, sei nicht glaubwürdig. Um Volksverhetzung oder gar eine Morddrohung handele es sich nach ihrem Ermessen jedoch nicht. Sie begründet: "Die Äußerung war ein rechtswidriger Angriff. Wie sie gemeint war, hängt vom Ermessenshorizont des Beleidigten ab."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.