Landesparteitag in Berlin: Grüne wollen Erste sein

Nach außen attackieren, nach innen versöhnen: Die Grünen präsentieren sich bereits 15 Monate vor der nächsten Abgeordnetenhauswahl als Regierungsalternative.

Der Fraktionschef der Berliner Grünen, Volker Ratzmann Bild: ap

Selbstbewusster denn je haben die Grünen am Samstag den rot-roten Senat attackiert und sich als Regierungsalternative bei der Wahl 2011 dargestellt. Beim Landesparteitag sah Fraktionschef Volker Ratzmann "realistische Chancen" auf den Wahlsieg. Zugleich erinnerte er seine Partei an die Verantwortung in der neuen Rolle als Volkspartei, ohne diesen Begriff selbst zu nennen: "Wir sind nicht mehr die innerstädtische Kiezpartei, wir müssen Politik machen für die Menschen von Zehlendorf bis Buch." Geschlossen wie selten beschloss der Parteitag Grunsatzpapiere zur Mieten- und Migrationspolitik, auf denen das Wahlprogramm basieren soll.

Nicht, dass die Grünen bislang vor Rot-Rot gekuscht hätten - auch in der Vergangenheit warfen sie dem Senat Untätigkeit vor. Das aber geschah eher aus der Rolle des kleinen Wadenbeißers, der den großen Hofhund ankläfft. Angesichts konstant hoher Umfrageergebnisse über 20 Prozent - bei der Wahl 2006 waren es 13,1 Prozent - sieht sich die Partei nun auf Augenhöhe mit der weiter vorn liegenden SPD.

Ratzmann mühte sich merklich, Fraktion und Partei als geschlossen und voller Potenzial dazustellen. Anders sei das bei Rot-Rot: "Im Talentschuppen der SPD stehen die Lenas nicht gerade Schlange", sagt er mit Blick auf die erfolgreiche deutsche Eurovision Song Contest-Teilnehmerin. Dem gegenüber hob Ratzmann Aktivposten seiner Fraktion hervor, auch seinen innerparteilichen Gegenspieler, den Kreuzberger Abgeordneten Dirk Behrendt. Der treibe als Rechtspolitiker Justizsenatorin Gisela von der Aue "den Schweiß auf die Stirn". Noch beim letzten Parteitag im November hatte es zwischen Ratzmann und dem Kreuzberger Flügel gekracht - die Parteilinken verlangten, eine Koalition mit CDU und FDP auszuschließen. Am Samstag ließ Ratzmann weiter alles offen - Leitmotiv seiner Rede war: "Nichts ist in Beton gegossen".

Weder die Grünen noch ihre mögliche Spitzenfrau, Bundestagsfraktionschefin Renate Künast, seien unter Druck, sich festzulegen. "Es ist Klaus Wowereit, der sagen muss, ob er auch als kleiner Koalitionspartner oder Oppositionsführer in Berlin bleibt", sagte Ratzmann. Wowereit hatte Künast jüngst aufgefordert, nach der Wahl in jedem Fall in der Landespolitik zu bleiben.

Im Leitantrag des Landesvorstands zur Miet- und Klimapolitik mühte sich die Partei um den Spagat zwischen sozialen und ökologischen Zielen. Bei der angestrebten Gebäudesanierung mit dem Ziel von Energieeinsparung könne es zu sozialen Härten kommen, heißt es in dem Papier. Daher fordern die Grünen ein "Klimawohngeld", um höhere Mieten abzufedern.

Daneben will die Partei die Möglichkeiten beschränken, die Miete anzuheben: Während Vermieter bislang binnen drei Jahren um bis zu 20 Prozent erhöhen können, sollen daraus 12 bis 15 Prozent werden. Die Grünen stehen zwar zum Ausstieg aus der Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau. Für Mieter von Sozialwohnungen, die davon betroffen sind und denen drastische Mieterhöhungen drohen wie aktuell in der Kreuzberger Fanny-Hensel-Siedlung, soll es einen Anspruch auf Umzugshilfe und einen befristeten Mietausgleich geben.

In einem anderen Papier hat die Partei am Samstag Grundzüge ihrer Migrationspolitik festgeschrieben: Staatsbürgerschaft und Wahlrecht sollen am Beginn von Integration stehen, nicht als eine Art Belohnung am Ende. Die CDU, nach aktuellen Umfragewerten möglicher Juniorpartner einer grün-schwarzen Koalition, hatte sich im April genau für den anderen Weg entschieden.

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