A 100: Gutachten aus der Bahn geworfen

Ein Ingenieurbüro zieht eine Stau-Studie zur Autobahn-Verlängerung zurück, die erst vor einem Monat erschienen ist. Nicht nur die Grünen vermuten Druck von oben - doch der Senat bestreitet Einflussnahme.

Zu viele Autos tun nicht gut-schon gar nicht in der Innenstadt Bild: apn

Es war einer der vielen Bausteine, mit denen die A-100-Gegner die Verlängerung der Autobahn zu Fall bringen wollten. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hatte bei der Ingenieursgesellschaft Spiekermann ein Gutachten in Auftrag gegeben. Das Ergebnis: Von freier Fahrt kann auf der Autobahn keine Rede sein. So seien alleine auf dem Stück zwischen dem Treptower Park und der Elsenstraße Staus mit Wartezeiten von bis zu 30 Minuten zu erwarten.

Doch nun hat die Gesellschaft ihr Gutachten zurückgezogen. Mit einem Schreiben, das der taz vorliegt, teilt sie dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg mit, das gezahlte Honorar sei bereits zurück überwiesen worden. "Die ausgelieferten Exemplare führen Sie bitte der Aktenvernichtung zu."

Der Regionalleiter der Ingenieursgesellschaft, Josef Salm sagte, das Gutachten sei mit veralteten Daten entstanden, "die wir nicht hätten akzeptieren dürfen". Konkret ging es darum, dass die Verkehrsbelastung in dem Gutachten auf Grundlage einer Zählung aus dem Jahr 1998 berechnet wurde. "Da kann man zu keinen gültigen Ergebnissen kommen", sagte Salm. Warum sie den Auftrag dennoch akzeptiert, durchgeführt und das Ergebnis dem Bezirk präsentiert haben, wisse er nicht: "Wir prüfen das noch intern."

Salms Auftraggeber, der Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), hingegen ist überrascht: "Wir haben dem Büro dieselben Daten gegeben, die auch von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung genutzt werden, um die Autobahn zu planen."

Auch der Diplom-Geograph Wulf Hahn, Geschäftsführer der Marburger Fachagentur RegioConsult hat aus fachlicher Sicht nichts an dem Gutachten auszusetzen. Er hatte im vergangenen Jahr ebenfalls eine Studie zur A 100 erstellt.

Hahn erklärt sich den Rückzug des Gutachtens dadurch, dass die geplante Verlängerung der A 100 zuletzt immer umstrittener geworden ist. "Immer, wenn es besonders brenzlig wird, wird auch mal Druck auf die Gutachter ausgeübt, das ist durchaus üblich." Erst im November hatten die Fraktionen von SPD und Linkspartei die Planungsmittel für die Verlängerung auf Eis gelegt. Ein halbes Jahr davor hatten sich die Delegierten auf dem SPD-Parteitag gegen den Bau ausgesprochen - eine erste Niederlage für die Senatorin für Stadtentwicklung, Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Hahn sagte, er könne sich vorstellen, dass die Senatorin alle Hebel in Bewegung setzt, um das Projekt zu retten. Auch Bezirksbürgermeister Schulz vermutet, dass da Druck auf die Gesellschaft ausgeübt worden sei: "Alle Verkehrsplanungsbüros hier in Berlin leben schließlich von Aufträgen der Senatsverwaltung."

Öffentlich zugängliche Dokumente zeigen, dass die Gesellschaft Spiekermann in der Vergangenheit wiederholt für die Stadtentwicklungsverwaltung gearbeitet hat - unter anderem bei der "Wiederbewässerung der Rieselfelder um Hobrechtsfelde". Die Firma wird in einem Informationsblatt der Senatsverwaltung über das Vorhaben unter "Planung Wasserbau" erwähnt. Nach eigener Darstellung erarbeitete das Büro zudem Planungs- und Ausschreibungsunterlagen für die landeseigenen Verkersbetriebe und erstellte den Masterplan für "den kompletten neuen Flughafen" Berlin-Brandenburg International (BBI), an dem das Land Berlin mit 37 Prozent beteiligt ist. Derzeit arbeite man an einem Projekt für die Schienenanbindung des Flughafens.

Dass der Rückzug nach direktem Druck erfolgt sei, bestreiten sowohl Salm als auch die Senatsverwaltung. "Unser Weg ist eine öffentliche Anhörung", stellte Verwaltungssprecherin Petra Roland klar - damit würden auch kritische Meinungen zugelassen.

Im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hält Franz Schulz trotzdem weiter am Gutachten von Spiekermann fest. "Wir bewerten die Autobahn 100 weiterhin auf Grundlage des Gutachtens von Spiekermann", sagte Schulz der taz. "Wir prüfen derzeit noch, wie wir weiter vorgehen." Möglicherweise werde ein neues Gutachten in Auftrag gegeben.

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