Film über Langzeitarbeitslose: Hartz aber herzlich

In dem Film "HARTZcore" begleitet die Kamera drei Kreuzberger Langzeitarbeitslose. Fazit: 1-Euro-Jobs machen Hoffnung, wo es keine Hoffnung gibt - jedenfalls keine Arbeit.

Mehr als ein paar Euro bleiben nicht übrig, wenn Langzeitarbeitslose zusätzliche Tätigkeiten aufnehmen. Bild: dpa

"Schnell, aufstehen, ich muss gleich los!" Bettina Lorbeer wirbelt durch ihre Kreuzberger Wohnung. Sie muss sich beeilen, es geht zur Arbeit in die "Meco", ein Beschäftigungs- und Qualifizierungsträger. Was die 42-Jährige an diesem Morgen antreibt, ist eine Beschäftigungsmaßnahme, vermittelt vom Jobcenter. Die fühlt sich für die Langzeitarbeitslose wie "so n normaler Job" an, lässt sie in Hektik ihre Kinder aus den Betten scheuchen, "so wie andere Leute das machen."

Bettina Lorbeer ist eine von drei ProtagonistInnen des Dokumentarfilms "HARTZcore" der beiden RegisseurInnen Anthony Lew Shun und Getrud Schulte Westenberg. Am Montagabend hatte der Film im Sputnik-Kino in Kreuzberg Premiere. Gedreht hat das Team unter dem Arbeitstitel "Hartz aber herzlich", denn, so Westenberg, die Meco kümmere sich wirklich sehr um Langzeitarbeitslose. Das viel gescholtene Hartz-IV-Programm stehe dazu nicht im Widerspruch, im Gegenteil: "Hartz IV hilft" ist die Erkenntnis, die Lew Shun aus seiner Regiearbeit zieht.

Der Film zeigt, dass die 1-Euro-Jobs tatsächlich reine Beschäftigungsmaßnahmen sind. Ein wirklicher Arbeitsmarkt für Langzeitarbeitslose wie die ProtagonistInnen von HARTZcore sei ohnehin "gar nicht da", sagt Stefanie Lippelt, Geschäftsleiterin der Meco, im Gespräch nach der Premiere. Die Suche nach real bezahlter Beschäftigung sei die Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen, bestätigt ihre Kollegin Klitscher. Trotzdem sind die ProtagonistInnen sichtlich froh, überhaupt etwas zu tun zu haben. Im Film läuft Bettina Lorbeer voller Energie durchs Büro der Meco und berät Frauen, die wie sie ihre Kinder allein erziehen und von Hartz IV leben. An Weihnachten liefert sie Strickwaren an die Berliner Tafel, die sie selbst noch nie in Anspruch genommen hat. "Ich bin noch nicht ganz so arm dran wie die", bemerkt sie und radelt, oben rum mit Winterjacke, an den Füßen mit Damenslippern bekleidet, über die schneematschigen Gehwege davon.

Das Gefühl, zu den anderen, der arbeitenden Bevölkerung, dazuzugehören, hält bei Bettina Lorbeer so lange an, wie die Maßnahme des Jobcenters dauert. Am Ende des Films rennt sie wieder in heller Aufregung durch die Gänge der Meco: Die Entscheidung über die Verlängerung ihrer Maßnahme soll erst in einem Monat fallen. Das heißt: vier Wochen Bangen auf "wenigstens ein bisschen Normalität". Doch das Ganze ist ein Missverständnis, sie wird sofort um ein halbes Jahr verlängert, beruhigt sie eine Meco-Angestellte. Bettina Lorbeer fällt ihr um den Hals.

Auch Achim Strack kämpft mit den Tücken des Pseudoarbeitslebens: Seine Bewerbungsschreiben haben kaum Chance auf Erfolg, trotzdem geht die Meco-Beraterin seine Unterlagen gründlich mit ihm durch. "Diese Zeile muss fett und diese Anrede würde ich umformulieren." Dass diese Tipps ihm wirklich helfen, einen Job zu finden, bezweifelt der Exjunkie und Exknacki, spielt das Spiel aber geduldig mit und tippt die Änderungen ein. Lust, Geld für Porto auszugeben, hat er nicht mehr, von 80 versandten Bewerbungen habe er nur eine Antwort erhalten, negativ. "Für den ersten Arbeitsmarkt bin ich zu alt, zu krank, zu unqualifiziert", so der 52-Jährige.

Das schätzt auch Detlef Schmidt, der dritte Protagonist, nicht anders ein. Sieht er eine Alternative zur Langzeitarbeitslosigkeit? "Eine Maßnahme vielleicht", antwortet er.

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