Internetzugang: In der Nachbarschaft funkts

Seit 2002 vernetzen sich in einigen Kiezen BürgerInnen, um günstig ins Internet zu gelangen. Theoretisch könnte man das Netz sogar zum stadtweiten WLAN, das der Senat jetzt offiziell beerdigt hat, ausweiten.

Mit stadtweitem Wlan hätte sich auch das "Steini-Girl"-Viedo aus dem Bundestagswahlkampf am Originalschauplatz anscvhauen lassen. Bild: Reuters

Aus der Traum vom kabellosen Internetzugang in der gesamten Innenstadt: Das berlinweite WLAN wurde vom Senat am Dienstag endgültig beerdigt. Man konnte das Projekt offenbar nicht so ausgestalten, dass es finanziell attraktiv wäre für ein privates Unternehmen. Vielleicht hätte man sich besser an einem Modell orientiert, das im Kleinen seit acht Jahren erfolgreich funktioniert: der Freifunk.

In Prenzlauer-Berg, Friedrichshain-Kreuzberg und Hohenschönhausen haben sich in den 90ern Interessierte zusammengeschlossen, um gemeinsam freie Netzwerke aufzubauen, über die sie kommunizieren und Informationen austauschen können. "Wir sind eine Community aus selbstorganisierten Mitgliedern", erklärt Jürgen Sell vom Berliner Freifunk. "Alles geschieht in Eigeninitiative, ohne Kommerz und Hierarchie."

Freifunkgruppen gibt es in verschiedenen Regionen und Städten Deutschlands, sogar weltweit. Seit 2002 besteht das Berliner Freifunknetz in seiner heutigen Form. "Es war damals ein Problem, hier überhaupt Internet zu empfangen", erzählt Jürgen Neumann, der in Friedrichshain wohnt. "Die Frankfurter Allee war die Demarkationslinie - auf der einen Seite gab es Internet, auf der anderen nicht." Mit der neuen WLAN-Technik begannen in mehreren Kiezen Menschen sich selbstständig mit ihren Nachbarn zu vernetzen, um ins Internet zu gelangen.

Anders als der gescheiterte Plan des Senats, der eine flächendeckende Installation von Funkantennen in der Innenstadt vorsieht, funktioniert der Freifunk nach dem Schneeballprinzip: Eine bestehende Internetleitung wird per Funk über sogenannte Accesspoints - Verbindungsgeräte zwischen Funk- und Kabelnetz - etappenweise von Haus zu Haus ausgeweitet. So können sich immer mehr Leute in das Netz einschalten und weiter verknüpfen.

Die Kosten sind mit 20 bis 30 Euro für die benötigten Geräte überschaubar. Der Internetzugang wird unter den FreifunkerInnen meist kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Maxime "Internet für jeden" nehmen sie wörtlich: "Wenn ich eine Flatrate habe, ist es mir egal, ob noch ein paar andere Leute davon profitieren", erklärt Neumann.

Allerdings ist die Installation nicht ganz ohne. Wer sich die lange Liste der notwendigen Download-Dateien auf der Freifunk-Homepage ansieht, darf sich nicht abschrecken lassen.

Schwierig sei das nicht, meint Sell, "aber es kostet Aufwand und eigenen Antrieb. Man muss sich schon damit beschäftigen." Hilfe gibt es bei den regelmäßigen Treffen der FreifunkerInnen. Das System funktioniere durch diesen Mitmacheffekt: "Das Wissen wird weitergegeben und verbreitet sich mit der wachsenden Gruppe", sagt Sell.

Zurzeit sind in Berlin zwischen 2.000 und 3.000 Personen im Freifunk vernetzt, schätzt Neumann. Doch die Zahl stagniert. Das liege daran, ergänzt Sell, "dass die Masse derer, die sich dafür interessieren, versorgt ist." Ohnehin ist das Freifunksystem auch nicht für jeden geeignet. Für große Datenmengen, wie Bilder und Filme, sei es zu langsam, meint er. "Es kommt immer darauf an, was man vorhat. Ein Porsche ist als Familienwagen auch ungeeignet."

Die Idee des Senats, ein WLAN-Netz für die gesamte Innenstadt einzurichten, haben beide eigentlich sehr begrüßt. "Ich könnte mir eine Zusammenarbeit gut vorstellen. Vorausgesetzt, die Bevölkerung würde in den Prozess mit einbezogen, und es gäbe einen kommerziellen Anbieter, der einen kostenlosen Internetzugang zur Verfügung stellt", sagt Neumann. Genau da lag offenbar der Hase im Pfeffer: beim Geld. "Am liebsten würde der Senat es ja kostenlos umsetzen und dabei noch Gewinne erzielen", so Sell.

Im Unterschied dazu wollen die FreifunkerInnen mit ihrem Netzwerk kein Geld verdienen. "Wir machen das in unserer Feizeit, ohne kommerzielles Interesse", sagt Neuman. Für ihn sei das Projekt eine Art Nachbarschaftshilfe: "Eines Tages stand ein Student vor meiner Tür und wollte mir Geld dafür geben, dass er meinen Internetzugang genutzt hatte, um seine Diplomarbeit fertig zu schreiben. Ich habe ihm gesagt, dass ich kein Geld annehme. Dafür hat er mir dann einen Kuchen gebacken."

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