Hartz-IV-Klagewelle: Jubiläum am Hartz-IV-Gericht

Am Sozialgericht wird der 100.000 Hartz-IV-Fall eingereicht. Die Richterzahl dort hat sich seit 2005 verdoppelt.

Meistens geht es nur um ein paar Euro. Bild: AP

Diesmal geht es um 202 Euro. So viel Arbeitslosengeld II will das Jobcenter Treptow-Köpenick von einem Paar zurück, weil es dessen Einkommen über drei Monate erst im Nachhinein genau berechnen konnte. Das Paar wehrt sich - und hat die insgesamt 100.000. Hartz-IV-Klage vor dem Berliner Sozialgericht eingereicht. Damit sei der Höhepunkt einer "immer dramatischer wachsenden Klagewelle" erreicht, sagte Gerichtssprecher Marcus Howe am Freitag. Die Zahl der eingereichten Klagen liegt in diesem Jahr um 35 Prozent über der des Vorjahrs. "Inzwischen geht beim Sozialgericht Berlin alle 16 Minuten ein neues Hartz-IV-Verfahren ein", heißt es in einer Erklärung.

Oft gehe es um Fragen der Unterkunftskosten, um Untätigkeitsklagen - wenn nach Ansicht der Betroffenen Fälle am Amt verschleppt werden - oder um Rückforderungen wie jetzt im Jubiläumsfall. In Letzterem erzielte der Kläger wechselndes Einkommen als Sicherheitsmann. Er gibt an, alle Nachweise rechtzeitig eingereicht zu haben und nicht für Berechnungsfehler des Jobcenters verantwortlich zu sein; daher weigert er sich, die 202 Euro zurückzuzahlen.

Beim Gericht liegen die Fälle durchschnittlich 10 Monate, bis sie bearbeitet sind; etwa die Hälfte der Verfahren endet mit einem Teilerfolg. In anderen Rechtsgebieten ist die Quote laut Gericht deutlich niedriger.

Die Hartz-IV-Gesetze haben sich für Juristen längst zur Jobmaschine entwickelt: Seit 2005 ist die Zahl der Richter auf 120 nahezu verdoppelt worden. "Das ist ein Arbeitsbeschaffungsprogramm", bemerkte Howe. Wo einst die Gerichtskantine war, befänden sich nun Büros. Der Berg der unerledigten Verfahren wachse gleichwohl weiter.

Sowohl der Gerichtssprecher als auch Sozialsenatorin Carola Bluhm (Linke) rechnen damit, dass die Welle weiter anschwillt. Wenn die Bundesregierung wie geplant im Sozialbereich spare, gebe es wohl noch mehr zu tun für die Richter. "Die Leute wehren sich gegen Leistungskürzung, auch juristisch", sagte Howe. Bluhm forderte die Bundesregierung auf, Pflichtleistungen nicht durch Ermessensleistungen zu ersetzen. "Wenn das so kommt, kriegen wir eine riesige Steigerung", sagte Bluhms Sprecherin Anja Wollny. Zudem müssten Regelungen endlich präzisiert werden. Es sei bedauerlich, dass so viele Leute gegen Entscheidungen von Jobcentern und Sozialämtern klagen müssten, so Wollny.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.