KULTUR: Knautschke in die Mottenkiste

Die Naturwissenschaftliche Sammlung in Charlottenburg wird geschlossen. Die Stiftung Stadtmuseum verspricht Ersatzräume, aberder Förderkreis des Museums fürchtet nach dem Gang ins Depot auch das Aus.

Bis Ende Februar konnten in der Sonderausstellung der Naturwissenschaftlichen Sammlung die dramatischen Klimaschwankungen der Eiszeit begutachtet werden. Jetzt trifft das Museum in Charlottenburg selbst ein Umbruch. Die Naturwissenschaftliche Sammlung, die seit 1987/88 in dem kleinen Museumsbau gegenüber dem Charlottenburger Schloss untergebracht ist, wird in diesem Jahr geschlossen. Die zur Stiftung Stadtmuseum Berlin gehörenden Bestände wandern ins Depot.

Der Förderkreis der naturwissenschaftlichen Museen Berlins e.V. schlägt nun Alarm: Ohne Not werde vom Land Berlin eine wichtige Bildungseinrichtung platt gemacht. Jährlich hätten sich rund 18.000 Besucher, darunter insbesondere Schulklassen, für die Ausstellungen interessiert. Die mehrmals aufgelegte Antarktis-Schau sahen gar weit mehr als 100.000 Besucher. Über die Zukunft der fast 2.500 Exponate zu umwelt-, erd- und naturgeschichtlichen Aspekten Berlins und seiner Region herrsche Unklarheit.

Die Kulturverwaltung bestätigte gegenüber der taz die Schließung. Die Räume an der Schloßstraße würden "aufgegeben", die Sammlungsbestände erst einmal eingelagert, sagte Torsten Wöhlert, Sprecher im Hause von Kulturstaatsekretär André Schmitz (SPD). Das Ende sei zwar bedauerlich, ein Verbleib in der Schloßstraße widerspreche aber zwei Prämissen der Stiftung Stadtmuseum. Zum einen sehe der "Masterplan" der Stiftung die Aufgabe peripherer Standorte und die Konzentration in Mitte vor. Zum anderen existiere seit dem Fall der Mauer mit dem Naturkundemuseum wieder ein zentrales Ausstellungshaus für ganz Berlin. Die Konkurrenz einer weiteren naturkundlichen Sammlung sei unnötig.

Genau dem widerspricht der Förderkreis, dessen Mitglieder und Wissenschaftler das Haus und die Ausstellungen seit Jahren unterstützen. Es sei richtig, betont Gerhard Scholtz, Förderkreisvorsitzender und Professor für Biologie an der Humboldt Universität, dass die geologischen, biologischen und mineralogischen Sammlungen und Exponate zum Aufbau eines Naturkundemuseums in Westberlin dienten. Nach dem Mauerfall habe sich "die Rolle und Ausrichtung der Sammlung aber klar vom globalen Profil des Naturkundemuseums abgegrenzt", so Schultz.

Im Mittelpunkt stünden vorwiegend regionale Aspekte. Die Kultur- und Naturgeschichte Berlins, die Tier- und Zoowelt und aktuelle ökologische und heimatkundliche Themen würden in Charlottenburg präsentiert. Schultz und andere Mitglieder des Förderkreises sowie Museumsleute empfinden nicht nur die Schließung als widersinnig. Sie fühlen sich zudem ausgegrenzt bei Gesprächen über die Zukunft der Sammlung. "Wir befürchten, dass alles in der Versenkung verschwindet", kritisiert der Vorstand.

Misstrauisch gegenüber möglichen Perspektiven ist der Vorstand ebenso: An eine Renaissance der Naturwissenschaftlichen Sammlung im Märkischen Museum und als Teil eines geplanten "Junior-Museums" - wie die Stiftung und der Senat behaupten -, glaubt er erst einmal nicht. "Es besteht dazu kein Konzept".

Christian Mothes, stellvertretender Generaldirektor der Stiftung Stadtmuseum, verteidigte den Auszug aus Charlottenburg. Mothes: "Die Stiftung hat jetzt andere Perspektiven." Zugleich glaubt der Direktor an die Chance, die "Exponate in veränderter Form auszustellen". Befürchtungen, die "geschätzte Sammlung" lande auf ewig zwischen Mottenkugeln, teile er nicht. Die Stiftung beabsichtige vielmehr, den Bestand in das geplante Junior-Museum zu integrieren. Bis zu dessen Realisierung werde es mit Sicherheit im Märkischen Museum Flächen geben, wo "Angebote" der Sammlung ausgestellt werden können.

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