Kommentar Wowereit greift Grüne an: Künast reizt Wowereit

Berlins Regierender Bürgermeister stichelt gegen die Grünen. Für die ist das quasi eine Bestätigung. Denn Wowereit nimmt sie als Gegner ernst.

Klaus Wowereit ätzt und stichelt. Er freut sich demonstrativ über eine mögliche Gegenkandidatur von Renate Künast, nur um kräftig gegen die grüne Fraktion auszuteilen. Die darf sich darüber freuen. Denn Wowereit hat begriffen, dass die Grünen ein ernster Gegner sind. Nur deshalb greift er an.

Im Wahlkampf kommt es nicht nur auf politische Inhalte an, sondern auch auf die Geschichte, die eine Partei erzählen kann. Künast böte beides. Sie wäre - ob zu Recht oder nicht - der gefühlte Garant, dass grüne Politik umgesetzt würde. Egal ob mit den Roten oder den Schwarzen. Auch weil Künast tatsächlich ein Erfolg in Berlin zuzutrauen ist - das ist die Geschichte, die die leicht ins Nußknackerhafte tendierende Grüne so sexy macht. Allein diese Chance würde viele Wähler anziehen: Die Gewinnerseite ist attraktiv. Und bei der CDU ist kein großstädtischer Kandidat in Sicht, der von einer aufkommenden Wechselstimmung profitieren könnte.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zeigt sich demonstrativ erfreut über eine Grünen-Herausforderin Renate Künast bei der Abgeordnetenhauswahlen 2011. "Ich begrüße es außerordentlich, wenn Renate Künast den Berliner Landesverband verstärken will. Aber ihr Engagement solle dann dauerhaft sein", forderte Wowereit in einem Interview mit dem "Hamburger Abendblatt" (Donnerstag). Mit einer Spitze in Richtung Grüne fügte der Regierungschef an: "Die Debatte um Renate Künast zeigt, dass die Grünen in Berlin personell ausgetrocknet sind. ...Die Berliner Grünen brauchen offenbar ja Unterstützung."

Die Grünen wollen bis Jahresende entscheiden, ob sie bei den Parlamentswahlen im Herbst 2011 mit einer eigenen Kandidatin für das Amt des Regierenden Bürgermeisters antreten. Dafür wird immer wieder die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Künast, genannt, die selbst bisher dazu schweigt. Die Grünen sind in Berlin traditionell stark und liegen in Umfragen seit Monaten bei rund 20 Prozent. In der jüngsten Forsa-Umfrage von Mai überflügelten die Grünen mit 23 Prozent sogar die CDU (20 Prozent) und verdrängten sie von Platz 2. Allerdings erhielten sie bei fast allen Wahlen weniger Stimmen als in den Umfragen prognostiziert wurde.

Wowereit forderte eine langfristige Entscheidung. "Wenn Künast hier antritt, muss sie sich für die Landespolitik entscheiden. Sie sollte nicht zur Wahl einfliegen und dann zurück in den Bundestag gehen." Zugleich griff er die Grünen scharf an. "Die Partei hat sich teilweise weit von ihren Ursprungsideen entfernt. In manchen Politikfeldern hat sie sich der FDP angenähert, zum Beispiel in der Sozialpolitik", sagte Wowereit. Nun trage sie ihre Offenheit für Koalitionen mit der CDU offen zur Schau. (dpa)

All das weiß Klaus Wowereit. Deshalb setzt er auf Künast, die Gegnerin mit ebenbürtigem Format. Sie reizt den gelangweilten Regierenden. So sehr, dass er gleich das platteste Argument verschießt: Er versucht Künast als die Fremde aus dem fernen Bundestag zu stilisieren, die sich nur zum Wahlkampf in die Landespolitik herablasse. Dabei liegt der Bundestag quasi ums Eck. Zudem ist Künast ein Urgestein der Berliner Grünen, die genau deshalb den Spagat zwischen Bundes- und Landespolitik glaubhaft darstellen könnte. Nicht zuletzt kann Wowereit selbst nicht ernsthaft garantieren, dass er auf bundespolitische Ambitionen verzichtet. Künast macht Wowereit nervös. Sie ist das Aufputschmittel. Er braucht es fast dringender als die Grünen selbst.

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Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

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