Prozess um Bankenskandal: Landowsky darf gehen

das Landgericht spricht den CDU-Politiker und elf weitere Bankmanager vom Vorwurf der Untreue frei. CDU verhöhnt SPD.

Milliardenverluste ja, Pflichtwidrichkeiten nein, so sah es am Montag das Gericht. Soviel zum Thema Hände und Unschuld. Bild: dpa, Patrick Sinkel

Der Saal war voll, obwohl das Urteil eigentlich feststand. Zwölf Angeklagte, gut doppelt so viele Anwälte, und auch die Bänke für Presse und Zuhörer waren gefüllt bis auf den letzten Platz. Das Landgericht Berlin sprach am Montag Klaus Rüdiger Landowsky, CDU-Politiker und Ex-Vorstandschef der Berliner Hyp, sowie elf weitere Ex-Bankmanager vom Vorwurf der Untreue frei.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass den Angeklagten, die mit dem Ruin der Berliner Bankgesellschaft Milliardenverluste zu verantworten haben, weder Pflichtwidrigkeiten noch ein daraus entstandener Schaden juristisch nachzuweisen sei. Zuvor hatte bereits die Staatsanwaltschaft eingestehen müssen, dass sie aufgrund der neuen Gesetzeslage Freispruch beantragt.

Es war einer der zentralen Prozesse in der nunmehr zehnjährigen Geschichte des Bankenskandals: mehr als anderthalb Jahre dauerte das Verfahren, das Gericht sichtete mehr als 800 Aktenordner und hörte 22 Sachverständige an. Dabei ging es im Kern um die Frage, ob die Angeklagten pflichtwidrig gehandelt und Vermögen veruntreut hatten, als sie Ende der 90er Jahre zwei Immobilienfonds auflegten. Diese sogenannten Rundum-Sorglos-Fonds garantierten den Anlegern hohe Renditen über 25 Jahre - führten aber zur finanziellen Schieflage des landeseigenen Unternehmens.

Die Initiative "Bürger gegen den Bankenskandal" protestiert gegen das Landowsky-Urteil. Auszüge aus dem Appell:

"Die Person Landowsky ist vergleichsweise unwichtig - nicht jedoch seine symbolträchtige Verquickung als Bankenvorstand und hoher Politikfunktionär im Land Berlin.

Das Urteil im Bankenskandal-Landowsky-Prozess fügt mit der äußerlichen Reinwaschung von Bankern und Politikern der Demokratie schweren Schaden zu. Denn in der Sache ist längst klar und hinreichend dokumentiert, dass die Angeklagten sich der Untreue, der Bilanzfälschung, des Anlagebetrugs und der Beihilfe zur Steuerhinterziehung schuldig gemacht haben. Vor diesem Hintergrund ist nach 10 Jahren Recherchearbeit die Feststellung der Staatsanwaltschaft und des Gerichts, die Tatbestände und Schädigungen seien zwar offensichtlich, aber nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil nicht quantifizierbar, eine Bankrotterklärung.

Das Urteil ist zudem ein weiteres Zeugnis dafür, dass auch alle anderen demokratischen Kontrollinstanzen ausfallen, wenn es um den Nachweis und die Ahndung kriminell handelnder Finanzmanager im Bunde mit hochrangigen Politikern geht. Denn nicht nur die Vorstände der Bankgesellschaft Berlin und deren Tochterbanken haben eklatant versagt, sondern auch die Aufsichtsgremien und vor allem die Aufsichtsräte mit ihren Vertretern aus Politik, Wirtschaft und dem Arbeitnehmerbereich.

Richtig ist, dass der Finanzsektor die einzige Wirtschaftsbranche ist, die fast ungeregelt Spekulationen und Manipulationen zulässt, was ja mit aller Deutlichkeit durch die Finanzkrise offengelegt wurde. So wird das Bankenskandal-Landowsky-Urteil zu einem weiteren Freifahrschein für zahlreiche Angeklagte in anderen Untreueprozessen und zudem für künftiges kriminelles Handeln im Finanzsektor, wenn nicht endlich grundlegende wirksame Kontrollen eingebaut werden.

Nicht der ,Wutbürger' oder der ,Mutbürger', der gegen solche Zustände aufbegehrt, ist unser Problem, sondern diejenigen, die ganz lautlos die Demokratie mit der Finanzaxt zerschlagen."

Im August 2010 allerdings hatte das Bundesverfassungsgericht den Untreue-Paragraphen restriktiv ausgelegt: Demnach muss fortan der Schaden zur Tatzeit bezifferbar sein, um den Tatbestand der Untreue zu erfüllen - was einen Schuldspruch fast unmöglich macht.

Während Richterin Claudia Wolter am Montag fast zwei Stunden lang die Urteilsbegründung verlas, nickte Landowsky immer wieder zustimmend in die Runde. Schließlich erkannte das Gericht an, dass bis 1998 die Fonds, die einzigartig auf dem Markt waren, ein durchaus ertragsreiches Geschäftsmodell darstellten. "Es kann allerdings", sagte Richterin Wolter, "keineswegs die Rede davon sein, dass das Gericht ohne das Karlsruher Urteil auch zu einem Freispruch gekommen wäre." Durch die Fonds sei sehr wohl Schaden entstanden, die Angeklagten hätten "auch nicht immer alles richtig gemacht". Die Fonds bargen mit ihrer langen Mietzinsgarantie eine "erhebliches Verlustrisiko". Derzeit bestehe zudem Orientierungslosigkeit für die Kammern, sagte Wolter, was bei derartigen Risikogeschäften noch strafbar sei. Eine klare Ansage des Gesetzesgebers sei geboten.

Das forderten auch zahlreiche Politiker und Beobachter des Prozesses: Peter Grottian von der Initiative Berliner Bankenskandal meinte, der Untreue-Paragraph sei "ein Scheunentor für alle Finanzmarktverbrecher". Der SPD-Abgeordnete Frank Zimmermann sprach von einer "unerträglichen Lücke im Wirtschaftsstrafrecht".

Einzig die Angeklagten und die CDU bejubelten erwartungsgemäß das Urteil. Landowsky bezeichnete seinen Freispruch als "Sieg über die politische Intrige" und betonte: "Das Urteil ist ein Freispruch erster Klasse." Die Berliner CDU will die Verantwortung für die Bankenaffäre auch von der SPD, die damals mit der CDU regierte, getragen wissen. Die SPD könne sich nicht mehr hinter Landowsky verstecken, sagt CDU-Politiker Bernd Krömer. "Die Rolle des Prügelknaben, der für alles Negative seinen Kopf hinhalten muss, kann nach dem heutigen Freispruch keinen Bestand mehr haben."

Ein Ende der Verfahren um die Berliner Bankgesellschaft ist allerdings noch längst nicht in Sicht. Die Staatsanwaltschaft kündigte bereits Revision an. Außerdem soll ein erster Untreue-Prozess gegen Landowsky frühestens im Sommer wiederholt werden. In diesem Fall geht es um Kredite an den Immobilienkonzern Aubis, der zwei Parteifreunden Landowskys gehörte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.