Streik für Entlastung Älterer: Lehrer wollen Schule schwänzen

Die Bildungsgewerkschaft fordert die Lehrer auf, am Dienstag vorzeitig die Schule zu beenden und für eine Entlastung von älteren Kollegen zu demonstrieren.

Die Bildungsgewerkschaft ruft dazu auf, für eine Entlastung von älteren Kollegen zu demonstrieren. Bild: dpa, Arno Burgi

Sie nennen es Protestaktion. Aber de facto ist es ein Streik, den die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) für den morgigen Dienstag plant. Berlins Lehrer sollen fünf vor Zwölf den Unterricht vorzeitig beenden und in einem Protestzug Richtung Alexanderplatz ziehen. Das Ziel: weniger Unterrichtszeit für ältere Kollegen. 3.000 Protestler erwartet die GEW.

Rainer Bonne ist Leiter der Kiepert-Grundschule in Marienfelde. Knapp die Hälfte seines Kollegiums ist über 55. Auch wenn er einen Streik nicht für das richtige Mittel hält, "das Anliegen selbst ist auf jeden Fall berechtigt". Mehr Schüler in den Klassen, mehr Unterrichtsstunden, mehr "problematische" Kinder - die Arbeitsbelastung sei in den vergangenen 20 Jahren enorm gestiegen. Nur zwei seiner Lehrer hätten das Glück gehabt, genau in jenem Jahr 60 zu werden, als eine Altersteilzeit möglich war. "Die kommen jeden Tag gern zur Schule."

Alarmiert von den hohen Krankenständen, gerade unter älteren Lehrern, hatte die GEW schon Ende Februar mit der Planung der Protestaktion begonnen. Man wolle damit die 2004 abgeschaffte Altersentlastung zurückholen. Bis dahin konnten Lehrer über 55 eine Stunde und Lehrer über 60 um zwei Unterrichtsstunden verkürzen. Doch das erfordert zusätzliche Lehrkräfte und kostet das Land Geld, das es nicht hat.

Stattdessen werde den Lehrern immer mehr Belastung oben drauf gepackt, sagt Norbert Gundacker, stellvertretender GEW-Vorsitzender. Da helfe nur noch Protest, um die Politik wachzurütteln. "Wenn diese Aktion nicht reicht, dann überlegen wir uns für das nächste Schuljahr noch weitreichendere."

Der Schulsenator nannte die geplante Aktion schon Ende Februar rechtswidrig: "Lehrer sind als Beamte nicht streikberechtigt", sagte damals eine Sprecherin von Jürgen Zöllner (SPD) der taz. Die GEW sieht das anders und beruft sich auf mehrere Gerichtsurteile. Den Lehrern drohe zwar ein Eintrag in die Personalakte und eine Kürzung des Gehalts um die ausgefallene Unterrichtszeit. "Aber das sind die Jahrgänge, die in fünf bis sieben Jahren in den Ruhestand gehen. Die lassen sich davon nicht abschrecken", so Gundacker.

Selbst Felicitas Tesch, bildungspolitische Sprecherin der regierenden SPD, unterstützt das Anliegen der Lehrer. "In der Sache haben sie natürlich recht, aber das können wir uns finanziell im Moment nicht leisten, in dieser Legislaturperiode schon gar nicht". Eine grundlegende Reform hin zu flexiblen Arbeitszeiten je nach Belastungfaktoren sei nötig - daran hätte sich bislang aber kein Senat getraut.

"Jetzt ist überhaupt nicht die Zeit für so einen Streik", empört sich hingegen die bildungspolitische Sprecherin der FDP, Mieke Senftleben. "Wir haben eine desolate Unterrichtsversorgung an allen Schulformen, überall fallen Stunden aus. Im Moment gehen die Kinder vor."

An Rainer Bonnes Schule in Marienfelde will sich nach seiner Kenntnis bislang nur ein Lehrer an der Protestaktion beteiligen und den Eintrag in die Personalakte riskieren. Das sei es aber nicht, was die anderen Kollegen vom Mitmachen abhalte, so Bonne. Als kurz nach dem Mauerfall die erste Arbeitszeitverlängerung auf die Lehrer zukam, hätte noch die ganze Schule gestreikt - auch widerrechtlich. "Aber inzwischen haben viele das Gefühl, dass das eh nichts bringt."

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