Fördergelder für Tumstraße: Moabit darf nicht sterben

Die Turmstraße in Moabit soll mit Millionen Fördergeldern aufgehübscht werden. Ein Erfolg ist schwer vorstellbar, es dominieren Leerstand und Verwahrlosung.

Ingrid Schmidt will eigentlich nur zuhören, aber dann platzt es doch aus ihr heraus. "Sie können hier ja machen, was Sie wollen", sagt sie an Architekt Tilman Latz gerichtet. "Aber ob das was wird, da habe ich meine Zweifel!" Latz stutzt, die versammelte Runde Journalisten, die vor der Heilandskirche an der Turmstraße eifrig Entwurfspläne studiert, auch. Mehr als 25 Millionen Euro will das Land in den nächsten Jahren in den heruntergewirtschafteten Straßenzug investieren und damit Moabit zu einem ansehnlichen Kiez machen. Das Geld kommt aus dem Bund-Länder-Programm "Aktive Stadtzentren". Damit das publik wird und die Problemlage klar, haben Land und Bezirk am Montag zu einem Rundgang geladen. Und mitten in den Erklärungen über Vorhaben und Wünsche meldet sich Ingrid Schmidt, die nicht mehr an eine Wiederbelebung der einstigen Einkaufsgegend glaubt.

Die Rentnerin ist Expertin für die Turmstraße. Geboren da, wo sie heute noch wohnt, vom Balkon aus blickt sie auf die Straße. Gearbeitet in der Arminius-Markthalle, damals, als es noch sieben Fleischer gab. Bei einem war Schmidt Fachverkäuferin. "Vor 50 Jahren, da war die Markthalle das Einkaufszentrum schlechthin, da gab es alles, und den Rest holte man sich auf der Turmstraße", sagt die Frau mit der ordentlichen Dauerwelle, in der Hand eine Einkaufstasche. "Jetzt bekommt man nicht mal mehr eine Sicherheitsnadel."

Inzwischen nämlich sind in der Markthalle die meisten Verkaufsstände verwaist, nur die Stammkunden des Imbisses und des Supermarkts am Eingang verirren sich hierher. Die Turmstraße hat mit Hertie und Woolworth zwei entscheidende Mieter verloren, und der entlanglaufende Parkstreifen ist zum dunklen Pissoir verkommen. "Die Turmstraße verzeichnet seit etwa 15 Jahren eine Abwärtstendenz", bilanziert Stadtplaner Andreas Wilke, der im Auftrag des Bezirks Mitte die Projekte in der Turmstraße steuert.

Es geht darum, das Herz von Moabit wieder attraktiv zu machen. Mit den Fördermillionen sollen etwa die Straße fußgänger- und radfahrerfreundlicher, Markthalle und U-Bahn-Eingänge saniert werden. Dem Park, der nun von Architekt Latz entwickelt werden soll, kommt eine Schlüsselfunktion zu: "Er soll Luft bekommen und porös werden", sagt er. "Wir brauchen Sozialkontrolle - nicht von Videokameras, sondern durch Anwesenheit." Heißt: Wo sich mehr Menschen sehen, fällt es schwerer, sich danebenzubenehmen. Mehr Parkeingänge sollen dazu beitragen, den stabileren Süden Moabits mit dem sozial schwachen Norden zu verbinden.

Für die Straße hängt entscheidend davon ab, was in das leerstehende Hertie-Haus einzieht. Derzeit laufen Gespräche, es gibt wohl Interessenten. Sie zögern jedoch, solange der Bau des benachbarten Schultheiss-Centers nicht begonnen hat - und der dortige Investor soll Schwierigkeiten mit der Finanzierung haben. Die plakatierten und verschmierten Ex-Hertie-Schaufenster werden wohl noch eine Weile den Bezirk zieren, da helfen auch die Millionen vom Land nichts. "Dabei ist Leerstand das Hauptproblem", sagt Stadtplanerin Karin Ganssauge vom Institut Topos. Er provoziere Vandalismus, was zum Absacken der Gegend beitrage.

Von einer sichtbaren Aufwertung ist die Turmstraße also noch weit entfernt - gleichwohl warnen Planer wie Ganssauge davor, dass mit Aufwertung "ehrlicherweise auch Verdrängung" einhergehe. Bezirksstadtrat Ephraim Gothe (SPD) macht sich da keine Sorgen. Die Turmstraße zähle zu den schlechtesten Gebieten der Stadt, sagt er. "Wenn sie in den vorletzten Bereich vorrückt, dann sehe ich das positiv, ohne dass ich mit einem Kollwitzplatz-Effekt rechnen muss."

Anwohnerin Schmidt bestätigt das auf ihre Weise. "Sie meinen es ja gut, die Architekten mit ihren Plänen für den Park", sagt sie. "Aber ich bin froh, dass ich meinen Balkon habe - dass ich hier noch mal spazieren gehen will, daran glaube ich nicht.

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