Bildungstests: Neuköllner Neinsagern droht Ärger

Vier GrundschullehrerInnen verweigern die Durchführung von "Vera", um mehr Aufmerksamkeit für ihre Kritik an den Tests zu bekommen. Die Verwaltung droht mit Disziplinarmaßnahmen.

Vier LehrerInnen der Nordneuköllner Karlsgarten-Grundschule verweigern die Durchführung der Vergleichsarbeiten "Vera". Die Senatsbildungsverwaltung hat disziplinarrechtliche Strafmaßnahmen angedroht. Die Lehrkräfte gehören zu den mehr als tausend Lehrer- und ErzieherInnen, die im April in einem offenen Brief an Schulsenator Jürgen Zöllner (SPD) die Vergleichstests kritisiert hatten (taz berichtete). Die Aufgaben seien so konzipiert, dass Kinder aus bildungsfernen oder eingewanderten Familien schlecht abschnitten, hieß es in dem Brief, den die Initiative "Grundschulen in sozialen Brennpunkten" verfasst hatte. Die Initiative hatte später betont, mit dem Protestschreiben nicht zum allgemeinen Boykott der Tests aufrufen zu wollen.

Die Grundschulvergleichstests "Vera" werden seit 2007 bundesweit im dritten Grundschuljahr in den Fächern Deutsch und Mathematik durchgeführt. In den vergangenen Tagen wurden in Berlin die Deutschtests geschrieben.

Für Susanne Weidtmann, eine der "Vera"-Verweigerinnen der Karlsgartenschule, ist der Boykott "ein Mittel, um Aufmerksamkeit zu erlangen". Denn eine adäquate Antwort des Schulsenators auf den Protestbrief der Lehrer sei ausgeblieben. Der "Vera"-Test, so ihre Kritik, lege eine "willkürliche Messlatte" an die Kinder an, die individuelle Lernfortschritte nicht berücksichtige: "Ihnen wird lediglich vorgeführt, was sie nicht können", sagt Weidtmann. Die chronische Unterfinanzierung der Grundschulen werde so nicht behoben.

Wegen des Boykotts droht der Pädagogin ein Vermerk in ihrer Personalakte, der bei Versetzungsanträgen hinderlich sein kann. Die Senatsbildungsverwaltung kündigte bereits Disziplinarmaßnahmen gegen Lehrkräfte an, die die Durchführung der Tests verweigern. Die können im Falle von Beamten in Geldstrafen, bei angestellten Lehrer in Abmahnungen bestehen.

Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) hatte der Senatsbildungsverwaltung schon vor zwei Wochen empfohlen, die Kritik der Lehrkräfte an den Vergleichstests ernst zu nehmen. Auch der Neuköllner Schulstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD) hat Verständnis für die Kritik der LehrerInnen: Der Test berücksichtige die unterschiedlichen Lernbedingungen der Kinder nicht. Dessen Durchführung zu verweigern sei jedoch "nicht in Ordnung", so Schimmang. "Ich empfehle deshalb die Teilnahme."

Am Mittwoch sollten die Matheprüfungen geschrieben werden. An der Karlsgartenschule werden wohl wieder nicht alle Drittklässler mitmachen.

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