Schulreform in Berlin: Strenge Noten, schlechte Chancen

Eltern fordern einheitlichere Notengebung an Grundschulen. Sie fürchten Nachteile beim Übergang auf Oberschulen.

Immer schön gute Noten sammeln: Grundschüler der Gustav-Falke-Schule in Mitte. Bild: dapd

Auch an Grundschulen sollen die neuen Zugangsbestimmungen für Oberschulen Folgen haben, wenn es nach ElternvertreterInnen geht. In einem offenen Brief hat die Elternvertretung der Thalia-Grundschule in Friedrichshain Schulsenator Jürgen Zöllner (SPD) aufgefordert, die Gleichwertigkeit der Benotung an Grundschulen sicherzustellen.

Bisher, heißt es da, könne jede Grundschule "über ihre Fach- und Gesamtkonferenzen die Benotung bei Klassenarbeiten eigenständig festlegen". Da die Plätze an den Oberschulen künftig überwiegend nach Notendurchschnitt vergeben werden, führe dies zu Ungerechtigkeit. "Wie wollen Sie uns garantieren, dass unsere Kinder beim Zugang zu den Oberschulen gleichbehandelt werden wie Kinder aus anderen Berliner Grundschulen mit anderem Benotungsmaßstab?", fragen die Eltern.

Tatsächlich bestimmen an den Grundschulen die Fachkonferenzen die Bewertungsmaßstäbe, sagt Inge Hirschmann, Sprecherin des Grundschulverbandes und Leiterin einer Kreuzberger Grundschule: "Da wird etwa festgelegt, ob fehlende Umlautstriche als Fehler gewertet werden oder ob Kinder bei Klassenarbeiten den Duden benutzen dürfen." Würde man solche Maßstäbe vereinheitlichen, "müssten Klassenarbeiten auch inhaltlich vereinheitlicht werden, denn die können ja auch unterschiedlich hohe Ansprüche stellen". Sie könne den Wunsch nach mehr Gerechtigkeit verstehen - "aber die gibt es bei Zensuren einfach nicht", so Hirschmann.

Jürgen Schulte, Lehrer, Personalrat und Sprecher der Initiative "Grundschulen in sozialen Brennpunkten" der Bildungsgewerkschaft GEW, sieht in der Forderung der Eltern "im Prinzip den Wunsch nach einem Grundschulabitur in Gestalt eines berlinweiten Testverfahrens". Grundschulen würden hauptsächlich danach bewertet, wie viele Kinder sie auf die Gymnasien entließen. Er fürchtet, dass normierte Notenvergabeverfahren dazu führten, "dass man in bestimmten Regionen Schulen hat, in denen man die Kinder parkt, mit denen man nicht so viel glaubt anfangen zu können in diesem Bildungssystem".

Ihr gehe es um mehr Gerechtigkeit, sagt dagegen die Gesamtelternvertreterin der Thalia-Grundschule, Svenja Pelzel. Die Notenvergabe an ihrer Schule sei besonders streng. Eineinhalb Jahre lang hätten die Eltern der Schule erfolglos versucht, mit den LehrerInnen über eine weniger strenge Notenvergabe zu verhandeln. Nun würden mit dem neuen Schulgesetz Noten noch wichtiger beim Übergang auf die Oberschule. Das benachteilige ihre Kinder bei der Konkurrenz um Oberschulplätze: "Das ist doch nicht gerecht", sagt Pelzel.

Die Senatsschulverwaltung hält nichts von einer Vereinheitlichung der Notengebung. Der "fachlich-pädagogische Ermessensspielraum der Lehrkräfte" bei der Bewertung schulischer Leistungen gewährleiste, dass diese "pädagogisch fundiert und nicht rein arithmetisch ist", teilte eine Sprecherin von Senator Zöllner mit. So könnten auch individuelle Lernfortschritte berücksichtigt werden. Die Rahmenlehrpläne formulierten zudem Standards, die von Jahrgangsstufe 4 bis 6 Mindestanforderungen an alle SchülerInnen festlegten.

Die Eltern der Friedrichshainer Grundschule wollen nun eine Klage auf Überprüfung der Gleichwertigkeit verschiedener Benotungsmaßstäbe vorbereiten.

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