DIE SPD UND SARRAZIN: Ungeliebter Genosse soll wirklich gehen

Der SPD-Landesvorstand votiert für den Parteiausschluss von Thilo Sarrazin. Auch viele SPDler an der Basis wollen ihn loswerden

Thilo Sarrazin Bild: DPA

Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Umschwärmt von Kameraleuten und Fotografen, lief Thilo Sarrazin, derzeit noch SPD-Mitglied und Bundesbankvorstand, mit versteinerter Miene den Gang entlang. Hätte am Montagmorgen Angela Merkel den Saal des dbb-Forums an der Friedrichstraße betreten, der Aufruhr wäre geringer gewesen.

Über Sarrazin und seine Thesen streitet ganz Deutschland. Am Montagnachmittag beschäftigte sich der Berliner SPD-Landesvorstand mit dem ehemaligen Finanzsenator und der Frage, ob er aus der Partei ausgeschlossen werden soll. Am Abend entschied sich der 40-köpfige Vorstand mit einer Gegenstimme und einer Enthaltung für ein Parteiordnungsverfahren mit dem Ziel des Ausschlusses. Die Landesspitze veranlasste aber keine Sofortmaßnahmen gegen Sarrazin; dies hätte eine Verkürzung des Verfahrens auf drei Monate bedeutet.

Der Ausschluss des Provokateurs ist für die SPD keine einfache Sache. Erst am Wochenende hatte Parteichef Sigmar Gabriel gewarnt: "Die Debatte wird uns richtig schaden." Die zuletzt steigenden Umfragewerte für die Sozialdemokraten würden wohl wieder nach unten gehen. Für die Genossen in Berlin wäre das fatal, steht doch in einem Jahr die Abgeordnetenhauswahl an.

Hört man sich bei den Kreisverbänden um, scheint ein größerer Teil der Genossen den Ausschluss Sarrazins dennoch zu befürworten. Dessen Einschätzung, dass es Probleme bei der Integration gebe, teilten viele, sagte Andreas Geisel, Kreisvorsitzender aus Lichtenberg. "Die ganz überwiegende Mehrheit hat aber für Sarrazins Thesen zur Genetik nur Kopfschütteln übrig. Sie findet, da muss eine Grenze gezogen werden."

In Mitte sieht es offenbar ähnlich aus. "Die meisten sagen: Sarrazin muss ausgeschlossen werden", berichtete die Leiterin der SPD-Geschäftsstelle, Clarissa de Sielvie. Allerdings hätten einzelne Genossen mit der Kündigung ihrer Mitgliedschaft gedroht.

Auch in Spandau wird Sarrazin wohl wenige Freunde finden. "Bei uns gibt es eine breite Unterstützung für den Ausschluss", sagte Kreischef Raed Saleh. Nach einem Interview Sarrazins vor einem Jahr hatten die SPD-Gliederungen Spandau und Alt-Pankow schon einmal den Ausschluss Sarrazins angestrebt. Damals seien 120 Mails und Briefe aus ganz Deutschland eingegangen, berichtete Saleh. Diesmal habe sich nur ein einziger Genosse beschwert. "Wir haben die Debatte schon hinter uns", glaubt Saleh. Auch in Charlottenburg-Wilmersdorf hält sich der Protest gegen den Ausschluss in Grenzen. Nach dem Votum des Kreisverbands für den Rausschmiss gingen in der Geschäftsstelle 100 Protestmails ein. Der Kreisverband habe aber 3.000 Mitglieder, sagte die stellvertretende Kreisvorsitzende Carolina Böhm.

Die Gegner eines Ausschlusses melden sich offenbar eher in der Landesgeschäftsstelle: In rund der Hälfte der Zuschriften von Genossen werde Sarrazin verteidigt, so Sprecherin Daniela Augenstein. "Sie sagen, die Partei muss so jemanden aushalten." Die andere Hälfte plädiere für den Rausschmiss. "In der Tendenz, würde ich sagen, ist diese Gruppe etwas größer."

Bei der Diskussionsrunde im dbb-Forum blieb Sarrazin überraschend blass. Das hilft ihm auch nicht mehr. Für die SPD hat er längst genug gesagt und geschrieben.

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