S-Bahn wird Regionalbahn: Warten auf den Sonderzug

Die Grünen wollen, dass ab nächstem Jahr Regionalzüge die S-Bahn entlasten. Ob das machbar ist, bleibt unklar. Der Fahrgastverband wundert sich: Ihn hat keiner gefragt.

Soll das S-Bahn-Chaos mildern: Einsatz von Regionalbahnen. Bild: dpa

Der Vorstoß sorgt für Überraschung bei Verkehrspolitikern: Die Grünen fordern, dass die Deutsche Bahn (DB) ab dem nächsten Jahr frei werdende Regionalzüge in der Stadt einsetzt, um die immer noch im Notbetrieb fahrende S-Bahn zu entlasten. Das sieht ein Konzept vor, das die Fraktion am Mittwoch vorgelegt hat. "Die Bahn als Mitverursacher des Chaos muss hier Abhilfe verschaffen", fordert die verkehrspolitische Sprecherin Claudia Hämmerling.

Die S-Bahn fährt seit mittlerweile zwei Jahren in unterschiedlichen Notfallplänen. Im Juli 2009 beanstandete das Eisenbahnbundesamt unzureichend durchgeführte Kontrollen und zog mehrere hundert Züge aus dem Verkehr. Seitdem reißen die Probleme bei der DB-Tochter nicht ab. Zu Defekten an Rädern und Bremsen kamen vom Schnee verstopfte Weichen und Motorenausfälle. Im vergangenen Winter kappte die S-Bahn einige Außenstrecken komplett - durch einen Wartungsrückstau seien nicht ausreichend Züge vorhanden, hieß es. Kunden klagen momentan vor allem über überfüllte Wagen, da durch fehlende Züge und verringerte Geschwindigkeit auch die Taktzahlen sinken. Der Senat hat die Zahlungen an die S-Bahn inzwischen um einen dreistelligen Millionenbetrag gekürzt.

Die Grünen betrachten ihr Konzept als Vorschlag zur Linderung: Ab dem nächsten Jahr werden einige Regionallinien in Berlin und Brandenburg nach einer Ausschreibung nicht mehr von der DB, sondern von anderen Anbietern betrieben. Das setzt nach Angaben der Grünen 60 Regionalzüge frei. Die könnten, so der Gedanke, auf Regionalstrecken in Berlin eingesetzt werden und damit die S-Bahn-Verbindungen unterstützen.

Unter anderem könnte Richtung Süden die nur im 20-Minuten-Takt fahrende S25 entlastet werden, Richtung Potsdam die S7. "Die Regionalbahnen würden nicht an jedem Bahnhof halten", schränkt Hämmerling das Konzept ein - schließlich können Regionalbahnen technisch bedingt nicht auf den S-Bahn-Gleisen fahren und nicht jeder S-Bahnhof hat einen Extra-Bahnsteig für die Regionalbahn. Fraktionsvorsitzende Ramona Pop ergänzt: "Es ist ein Ersatzkonzept für eine möglichst kurze Zwischenzeit."

Die Deutsche Bahn gibt sich zugeknöpft: "Wir fahren die Verkehre, die von den Auftraggebern bestellt werden", lautet die dürre Auskunft eines Sprechers. Das Land Berlin könnte also theoretisch mit den einbehaltenen Geldern neue Strecken bestellen - wenn es die Kapazitäten hergeben. Denn auf einer Strecke können nicht unbegrenzt viele Züge fahren. Ob die frei werdenden Züge möglicherweise schon für Strecken in anderen Bundesländern verplant sind, sagt die DB nicht. Auch die für die S-Bahn zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung äußerte sich bis Redaktionsschluss nicht.

Die Idee, Ersatzverkehr mit Regionalbahnen anzubieten, sei grundsätzlich nicht neu, aber richtig, sagt Florian Müller, beim Fahrgastverband Igeb zuständig für S-Bahn und Regionalverkehr. Von seinem Kollegen Jens Wieseke kommt trotzdem Kritik: Das Konzept wirke auf den ersten Blick unausgereift. Es überrasche ihn, dass die Grünen ihren Vorstoß nicht mit den Verbänden abgesprochen hätten.

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