Senat regelt Schneeräumen neu: Winterchaos ist Schnee von gestern

Der Senat kümmert sich schon im Sommer um Eis und Glätte. Wer nicht streut, kann die Verantwortung nicht mehr auf private Firmen abwälzen. BBU fürchtet 25 Millionen Euro Mehrkosten für Eigentümer und Mieter.

Den Anblick von so viel Weiß soll es im kommenden Winter nicht mehr auf der Straße geben. Bild: dpa, Justin Lane

Das ist antizyklische Politik: In T-Shirt und Jackett sitzt Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) im neunten Stock ihres Dienstgebäudes an der Jannowitzbrücke. Unten scheint die Sonne auf die Spreedampfer, doch gut Wetter machen ist nicht die Sache der Senatorin. "Wir brauchen eine nachhaltige Verbesserung des Winterdienstes", sagt Lompscher. Einen Tag zuvor haben sich SPD und Linke auf eine Novellierung des Straßenreinigungsgesetzes verständigt.

Zugefrorene Straßen und Gehwege, überforderte Räumdienste: Die Berliner haben den vergangenen Winter noch in schlechter Erinnerung. Doch das ist Schnee von gestern. In einem 10-Punkte-Papier erklärt Lompscher, was sich künftig ändern soll. Im Mittelpunkt steht die Abschaffung der sogenannten Übernahmeregelung. "Früher konnten Eigentümer die Verantwortung auf die Räumfirmen übertragen", erklärt Lompscher. Das sei nun nicht mehr so. "Für die Bezirke sind nun die Eigentümer der Ansprechpartner." Sie müssen auch zahlen, wenn Ersatzvornahmen nötig sind. Kein Wunder, dass der Verband Haus & Grund, die Lobby der Hausbesitzer, schäumt. In einer Stellungnahme fordert er die "sofortige Abschaffung des gesamten Gesetzes".

Doch das ist noch nicht alles. Wer ein Haus an einer Hauptverkehrsstraße besitzt, muss den Gehweg künftig auf einer Breite von 1,5 Metern statt von 1 Meter räumen. Lompscher schätzt, dass sich dadurch die Kosten für die Eigentümer von derzeit 5 Cent pro Quadratmeter geräumte Fläche auf etwa 7,5 Cent erhöhen. Ein Aufschlag, der sich am Ende in der Betriebskostenabrechnung der Mieter wiederfinden könnte. Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) schätzt die Mehrkosten der Novellierung auf bis zu 30 Millionen Euro pro Jahr. Auf Mieter und Einfamilienhausbesitzer würden dabei rund 25 Millionen Euro Mehrbelastungen zukommen.

Aber nicht nur Eigentümer müssen mehr zahlen, auch für die BSR wird es teurer. Künftig sollen elf große Plätze in Berlin - vom Alex bis zum Wittenbergplatz - von der BSR geräumt werden. Mehrkosten für die Stadtreinigung: 2 Millionen Euro.

Der nächste Winter wird also teuer. Ob die Berliner da mitmachen, wird auch davon abhängen, ob die neue Regelung funktioniert. Wenn die Bezirke und das Parlament zustimmen, soll ab 1. November nicht nur die Eisbeseitigung Pflicht werden. Die BSR darf Schnee- und Eismassen auch nicht mehr auf die Radstreifen schieben. Und wer auf einem Radweg die Hauptverkehrsstraßen entlangradeln will, kann darauf hoffen, dass die Schneeräumung dort "möglichst zeitnah" stattfindet.

Eisiges Schweigen herrscht nach der Vorstellung der Pläne bei CDU und FDP. Die Grünen dagegen tauen etwas auf. "Das Schneechaos hat deutlich gemacht, dass es gesetzlichen Regelungsbedarf gibt", sagt die Umweltpolitikerin Felicitas Kubala. "Aber die Eile, mit der die Umweltsenatorin die Änderungen des Straßenreinigungsgesetzes durchziehen will, wird ihr Ärger bescheren." Haus- und Grundbesitzervereine, so Kubala, gehörten mit an den Tisch, wenn der Winterdienst neu geregelt werde.

KATRIN LOMPSCHER, LINKE

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