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: HELMUT HÖGE über die Volksfront

„Sie werden an diesen Tag noch lange zurückdenken!“ (J. Elsässer)

Drei Tage nach Vorstellung seiner „Volksfront-Initiative“ in der altehrwürdigen Kreuzberger Politkneipe „Max & Moritz“, benannt nach zwei uralten Karpfen im nahen Engelbecken, kündigte die Linkspartei-Tageszeitung Neues Deutschland, benannt nach der einst von August Kotzebue in Moskau gegründeten Exilzeitung, den Autorenvertrag mit Jürgen Elsässer. Nicht, weil ihr die Moskauer Komintern-Politik der Bildung von Volksfronten inzwischen suspekt ist. Sondern weil sie Elsässers „rechte Terminologie“ nicht im Blatt haben und nicht Plattform für seine „Politikpläne“ sein will.

Für mich klangen die Reden im „Max & Moritz“ (halbwegs kluge ökonomische Analysen verbunden mit an Antisemitismus grenzende Verschwörungstheorien), die in eine kurze, aber heftige Saalschlacht gipfelten (meiner ersten im neuen Jahr), wie reiner „Nationalbolschewismus“ – die russische Natbol-Partei von Eduard Limonow wurde im Übrigen kürzlich verboten. Einer der hiesigen Initiatoren, der Exbundeswehroffizier Jochen Schulz, sagte, er sei Mitglied der Linkspartei. Und sein Kollege, der Ex-NVA-Offizier Peter Feist, verwendete gern Formeln der LaRouche-Sekte. Dann saßen noch der Naziaktivist Sascha Kari mit Bodyguard und der Nationalanarchist Peter Töpfer im Publikum sowie der Geschäftsführer des ehemaligen DKP-Verlags Pahl-Rugenstein, der sich konstruktiv zu Wort meldete.

Und in der Tat waren das dann auch ganz neue Töne, wenigstens in Kreuzberg – im Osten sind solche ausländerfeindlichen „Volks“-Begriffe wie „Heuschrecken“ gang und gäbe, auch in der einstigen PDS, so dass ich nach Elsässers Elogen auf Oskar Lafontaine schon dachte, seine Volksfront-Ini wäre ein U-Boot der Partei, um die Spießermassen im Osten nicht abzustoßen, aber dennoch Die Linke davon zu erleichtern.

In einem Leserbrief zu meinem taz-Artikel vom 12. Januar schrieb Elsässer: Er werbe nicht für eine nationalbolschewistische Politik, sondern „für die Wiederaufnahme einer Volksfrontpolitik, die Kommunisten, Sozialdemokraten und Bürgerliche in den 30er-Jahren in verschiedenen Ländern ‚gegen Faschismus und Krieg‘ betrieben haben.“ Ich füge hinzu: Bereits 1848 hatten Marx und Engels sich dafür ausgesprochen, dass das Proletariat seine Ausbeuter dabei unterstütze, die bürgerlichen Rechte und Freiheiten durchzusetzen. 1944 gründete sich im KZ-Buchenwald ein „Volksfrontkomitee“, vorher war in Chile bereits die „Frente Popular“ entstanden. Und nun sprach Elsässer davon, dass die Arbeiter ihre Betriebe zusammen mit den Unternehmern besetzen sollten – um mögliche US-Heuschrecken abzuwehren. Inzwischen sei die gesamte USA eine einzige „Heuschrecke“ (mit höchstens noch Kriegsproduktion). Auf dem Rosa-Luxemburg-Kongress äußerte eine US-Rednerin: „Der Gazastreifen ist das Warschauer Ghetto von heute!“ Und im „Max & Moritz“ meinte einer der drei Redner: „Was die Israelis da jetzt machen, ist ein Völkermord“. Das klingt nicht nur für Antideutsche antisemitisch.

Dazu passt, dass Elsässer seine Aufsätze in der Verschwörer-Zeitschrift Hintergrund veröffentlicht und seine Bücher im Verschwörungsverlag „Kai Homilius“, der in der Rechtspostille Jungen Freiheit warb und einen ihrer Mitarbeiter, allerdings auch den Chefredakteur der Linkspostille Junge Welt, zu seinen Autoren zählt. Hier also wieder eine Verbindung zwischen Nationalismus und Bolschewismus. Man kann dieses Lavieren zwischen postfaschistischer und poststalinistischer Partei aber auch „Volksfront“ nennen.

Ich kenne Elsässer nur über gemeinsames Rauchen auf der Junge-Welt-Terrasse. Neu war für mich, zu hören, dass er es zuletzt mit seiner Pro-Milošević-Ini zu einem wahren Helden unter den Großserben gebracht hat und dass er früher mal Maoist war. Dieser Werdegang ähnelt dem von Milošević selbst. Einige Zuhörer meinten, er würde dem von Bernd Rabehl und Horst Mahler ähneln. Dafür spricht, dass Elsässer die linke Scene zum Teil für sektiererisch hält und meint: „Aus diesem Laden muss man aussteigen, wenn man was werden will!“

Er will also noch was werden: ein Held auch in Deutschland wahrscheinlich. Aber warum sollen ausgerechnet „die normalen Leute“ (seine „Zielgruppe“) dafür ihre „Nöte“ ins Feld führen?