Türkischer Vizekonsul besucht Völkermord-Ausstellung

GENOZID Museum zeigt Fotos vom Völkermord an Armeniern. Diplomaten halten das für einseitig

„Bei Verbrechen gibt es keine zwei Ansichten“

KURATORIN TESSA HOFMANN

Eine Ausstellung im Anti-Kriegs-Museum erregt die Gemüter türkischer Diplomaten. Das kleine Museum im Wedding dokumentiert seit Mitte Februar mit der Fotoausstellung „Vertreibung, Verfolgung, Vernichtung“ den Völkermord an den Armeniern. Die Türkei verwahrt sich bis heute dagegen, die Tat aus den Jahren 1915 und 1916 im damaligen Osmanischen Reich als Völkermord zu bezeichnen. Der türkische Vizekonsul hat daher die Museumsleitung um ein Gespräch gebeten und am Mittwoch die Ausstellung besucht.

Die Fotos zeigen ausgemergelte Körper von verhungernden Kindern, Leichenberge, abgeschlagene Köpfe. Das Leid der armenischen Bevölkerung im Osmanischen Reich wird eindrücklich dokumentiert. Die Ausstellung wurde von dem Armenier Gerayer Koutcharian sowie von Tessa Hofmann, Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Anerkennung –Gegen Genozid, für Völkerverständigung“, kuratiert.

1915 und 1916 waren etwa 1,5 Millionen Armenier im Osmanischen Reich ermordet worden. Die Angst vor Autonomiebestrebung der Armenier hatte zu diesem Massenmord geführt. Armenier mussten Zwangsarbeit leisten, ihre Elite wurde gezielt vernichtet, viele starben bei Massakern und Todesmärschen.

Bei der türkischen Botschaft erregt die Ausstellung der 45 Fotografien und Texte, Dokumenten der Vernichtung, Aufsehen. Vizekonsul Mert Dogan wollte daher Museumsleiter Tommy Spree und dem Kurator die türkische Sicht auf den Völkermord erläutern.

Das Gespräch sei „freundlich und offen“ gewesen, sagte Museumsleiter Spree der taz. Sehr diplomatisch sei der Vizekonsul gewesen, habe aber auf der politischen Auffassung beharrt, dass es sich nicht um Völkermord handele, so Spree.

Die Türkei geht heute offiziell von 300.000 Opfern unter den Armeniern aus. Die werden jedoch als „Kollateralschaden“ einer kriegsbedingten Umsiedlungspolitik bezeichnet. „Bei Verbrechen gibt es aber keine zwei Ansichten“, sagt Mitkuratorin Tessa Hofmann, die selbst nicht an dem Gespräch zwischen Vizekonsul und Museumsleitung teilnahm. Die türkische Botschaft habe darum gebeten. Wahrscheinlich sei sie nach 30 Jahren Einsatz für die Anerkennung des Völkermords Persona non grata, vermutet Hofmann.

Erst im Dezember hatte die Armenienfrage für Verstimmung zwischen der Türkei und den USA gesorgt. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte US-Präsident Barack Obama davor gewarnt, den Genozid beim Namen zu nennen. SARAH KOHLHAUER

■ Kuratorin Tessa Hofmann hält heute einen Vortrag über den Völkermord und seine Vorgeschichte, 19 Uhr, Anti-Kriegs-Musuem, Brüsseler Straße 21, Wedding