Alles verläuft nach Plan

KÜNSTLERINNENPROJEKT Die Ausstellung „Fast and Furious“ in der Halle am Wasser zeigt sehenswerte Arbeiten der diesjährigen Goldrausch-Stipendiatinnen

Würde man beim Spiel „Stadt, Land, Fluss“ die Sparte „KünstlerInnen“ einfügen, der Anteil der genannten Frauen wäre – auch mit gendersensibel bedachtem „Innen“ – verschwindend gering. Bei den meisten Galerierundgängen gestaltet es sich ähnlich. Die New Yorker Künstlerinnengruppe „Guerilla Girls“ fand einmal heraus, dass nur etwa fünf Prozent der ausgestellten KünstlerInnen in den Moderne-Abteilungen weiblich seien, dagegen aber 85 Prozent der Akte.

Anders sieht es derzeit in der Halle am Wasser, in der Ausstellung „Fast and Furious“ aus. Auf 17 Werke kommen dort 15 Künstlerinnen, und da manche von ihnen zwei Exponate zeigen, macht das einen Frauenanteil von 100 Prozent. Das ist nicht etwa einer klammheimlich eingeführten Frauenquote in der Kunstszene zu verdanken, sondern dem Goldrausch Künstlerinnenprojekt.

Bereits zum 21. Mal findet es statt. 15 Stipendiatinnen des Goldrausch e. V., der Frauen finanziell bei Existenzgründungen unterstützt, bekommen darin über den Zeitraum eines Jahres die Möglichkeit, ihre Kunst weiterzuentwickeln, aber auch auf „praktische“ Aspekte des Lebens als Künstlerin vorbereitet zu werden. „Da ging es um Fragen wie: Wie versichere ich mich? Wie präsentiere ich mich und meine Arbeit in fünf Minuten?“, sagt Anja Claudia Pentrop, eine der Künstlerinnen.

Pentrop gehört mit ihren 31 Jahren zur am meisten vertretenen Altersgruppe, die jüngste teilnehmende Künstlerin ist 28, die älteste 45 Jahre alt. Künstlerisch gesehen verbindet die Teilnehmerinnen des Postgraduiertenprogramms wenig. Die gezeigten Werke sind heterogen, es finden sich Fotografie, Malerei, Video und Collage. Doch vielen scheint etwas Gewachsenes, Gewordenes gemein zu sein, so als merkte man ihnen den Reifeprozess ihrer Macherinnen während des Projekts an. Pentrops Werk „Ein ganz normaler Tag etwa zeigt auf zwölf Quadratmetern den Tagesplan einer „ganz normalen Familie eben“, wie die Künstlerin mit einem Lächeln unterstreicht.

Auf den ersten Blick sind die Tätigkeiten der Familie mit drei Kindern tatsächlich sehr alltäglich, „Konferenz“ heißt eines von Papas Feldern, „Theater AG“ eines des Kinds. Allerdings stehen bei den Eltern abends auch „Gespräch“ und „Sex“ auf dem Plan.

Zeit unter Kontrolle

Das durch die streng getaktete, digitalisierte Alltagswelt beförderte Gefühl der Zeitknappheit und das damit verbundene Kontrollbedürfnis des „Durchplanens“ werden hier pervertiert. Pentrops bunter Tagesplan aber ist aus Wolle gestrickt und somit keinesfalls schnell oder gar digital entstanden. Das mühsame Stricken und Berechnen der einzelnen Felder kostete die Künstlerin vier Monate, „als Fulltime-Job“. Der Entstehungsprozess des Werks bildet dadurch einen Kontrast zum Dargestellten, der Vergänglichkeit. Fast fühlt man sich ertappt und denkt an die To-do-Liste zu Hause, die morgen schon im Papierkorb landet, beschrieben mit banalen oder selbstverständlichen Dingen, die wir unserem Gehirn dennoch nicht zutrauen, selbst zu erinnern. Nicht alle Exponate sind so zugänglich wie das von Pentrop, dadurch drohen einige, unterzugehen.

Eines davon ist die Spielfilmreihe Heroes, Hunger und Karaoke von Carolina Hellsgård, die anzuschauen sich lohnt. In drei Kurzfilmen wird Einblick in das fiktive Leben von Menschen gegeben, die sich in schwierigen Lebensphasen befinden. Das Mädchen in „Heroes etwa mag Pferde, ihre Freundin aber interessiert sich schon für Jungs. In den langsamen, ruhigen Szenen vermittelt sich das Weltschmerzgefühl der frühen Pubertät in all seiner empfundenen Ernsthaftigkeit.

Erfrischend an „Fast and Furious“ ist, zu sehen, dass keines der Werke dezidiert auf die Rolle von Frauen in der Kunst eingeht. Wahre Emanzipation ist erst dann erreicht, wenn einen das Geschlecht des/der KünstlerIn nicht aus dem Werk heraus anschreit, wenn keiner mehr darüber redet, welcher Name auf dem kleinen, weißen Schildchen an der Wand steht. Die Goldrausch-Künstlerinnen scheinen das längst verstanden zu haben.

CARLA BAUM

Bis 10. Dezember, Invaliden- str. 50/51. Di.–Sa. 12–18 Uhr