AUF DER POST
: Wutbürger, Wedding

Die Post, sagt der Mann, sei ein abscheulicher Haufen

„Bei jedem Abschluss a) eines Stromliefervertrages, b) eines Bausparvertrages, c) einer Rente erhalten Sie einen Lederfußball gratis dazu.“ Ich studiere zum dritten Mal das handgeschriebene Plakat in der Post-Filiale, um mich nicht mit der pöbelnden Vietnamesin direkt hinter mir in der Schlange beschäftigen zu müssen. Sie hat Sorgen wegen einer EC-Karte, von der Kriminelle sechzig Euro gestohlen haben, „diese Untermenschen“, schimpft die Frau, nicht akzentfrei, aber grammatikalisch korrekt.

Die anderen Wartenden starren genauso konsequent woanders hin wie ich. Nur ein Mann im Wildledermantel betrachtet sie wohlwollend. Auch ihm habe man übel mitgespielt, erklärt er mir: Ein Express-Paket, Porto 21,90 Euro, Inhalt eine 440 Euro teure Sache, hat seinen Empfänger nicht erreicht. „Skandal“, sagt der Mann. „Bei der Frau ja auch.“ Offensichtlich reicht es zur Allianz, wenn zwei Leute zornig sind. Der Zorn braucht nicht dieselbe Ursache zu haben.

Die Post, sagt der Mann, sei ein durchkorrumpierter, abscheulicher Haufen. Ekelhaft. Wenn gut begründet gegen die Deutsche Bahn argumentiert wird, stimme ich gelegentlich mit ein und schäme mich nur manchmal heimlich auf dem Zugklo dafür, wie harmonisch sich meine, nun ja, Meinung, in den Klagechor beige gekleideter Gelegenheitsreisender einfügt. Die Post hingegen hat mir noch nie Anlass zu Zorn und Hass gegeben, auch nicht als DHL, weshalb ich dem Mann im Wildledermantel kein zustimmendes Augenverdrehen gönne, sondern versuche, das Gespräch in unverfänglichere Bahnen zu lenken: „War’s ein Weihnachtspäckchen?“ Das ist ihm zu blöd. Er wendet sich lieber an den schwarzhaarigen Herrn in Trainingshose und Ballonseidenjacke vor ihm: „Die Deutsche Post kommt ja noch von den Nazis.“ „Ich weiß nicht“, sagt der. „Bei mir ist immer alles angekommen.“ EVA SIMON