Von High Noon bis Mitternacht

NEUER STANDORT Vom Humboldthafen in den Monbijoupark: Based in Berlin

Abschied vom Humboldthafen – es muss Kapitän Klaus Wowereit schwergefallen sein, diesen Schritt zu vollziehen. Anmerken ließ sich sein Kulturstaatssekretär, André Schmitz, jedenfalls nichts, als die fünf Kuratorinnen der Sommer-Kunstschau „Based in Berlin“ diese Entscheidung gestern verkündeten. Was der Regierende als spektakuläres Architekturkonzept geplant hatte, schrumpft nun auf das bewährte Format der „Zwischennutzung“.

Statt im Hafensand des Berliner Nordens findet die zuerst „Leistungsschau“ betitelte Ausstellung zur Berliner Gegenwartskunst nun auf der grünen Wiese in Mitte statt. Vom 8. Juni bis 24. Juli wird das ehemalige Ateliergebäude der Kunsthochschule Weißensee im Monbijou-Park Schauplatz dieses bis zuletzt heftig umstrittenen Events. Täglich von High Noon bis Mitternacht können Interessenten sich dann brandaktuelle Kunst anschauen, Lectures, Performances und Happenings genießen.

Die offizielle Begründung für die Kehrtwende hört sich sachlich an. Wegen der laufenden Bauarbeiten am Hafen hätte die beabsichtigte recyclebare Modullandschaft nirgends Zugang zum Wasser gehabt. Doch der Pressetermin sah zudem wie eine Demonstration der Unabhängigkeit aus: Die fünf Kuratierenden wollten sich wohl nicht nachsagen lassen, sie seien nur Handlanger für den Wahlkampf Wowereits: „Wir wollten einen Standort, der auf die realen Produktionsprozesse von Kunst verweist“, begründete ihr Wortführer, der Kurator Jakob Schillinger, mit ernster Miene diesen Schritt.

Auch Kritiker werden dem Projekt nun eine Rückkehr zur Vernunft konzedieren müssen. Nicht, dass man jetzt besser wüsste, nach welchen Kriterien die rund 80 Künstler ausgewählt wurden. Ganz umsonst war der Parforceritt durch Ateliers und Bewerbungsmappen aber nicht, sondern er brachte eine markante Erkenntnis über den ästhetischen Paradigmenwechsel unter jungen KünstlerInnen, die seit fünf Jahren in Berlin leben und arbeiten: „Wir beobachten einen Wandel von der Kritik der Massenkultur zur Massenkultur der Produktion“, fasste Schillinger die Beobachtungen über die Fusion von Kunst und Internet zusammen.

Ob das temporäre Konzept am Ende dazu führen wird, dass eine ständige Kunsthalle aus dem Sand Berlins wächst, darauf wollte sich André Schmitz noch nicht festlegen. Zwischen dem Ende des Events und seiner Auswertung stehen noch die Abgeordnetenhauswahlen. „Sie schreiben mit“, schob Schmitz den Journalisten die Rolle des Schiedsrichters über Erfolg oder Misserfolg des Ausstellungsprojekts zu.

INGO AREND