Die Maschinen laufen immer noch

SCHWINGUNGEN In Neukölln eröffnet heute PhilSynth, Berlins erster Laden, in dem man alte analoge Synthesizer kaufen und reparieren lassen kann. Gute Quellen für Ersatzteile machen’s möglich

„Ich habe stärkeres Vertrauen in analoge Synthesizer als in Computer“, sagt Luca

VON TIM CASPAR BOEHME

Philipp Heimrich hat seine Wohnräume gleich im hinteren Teil des Ladens. Eine örtliche Trennung zwischen Arbeit und Privatem ist für ihn kaum denkbar: „Ich könnte nirgendwo anders schlafen!“ Seine Sorge liegt darin begründet, dass vorne im Geschäftsraum eine beachtliche Sammlung an Synthesizern aufgebaut ist, die sich bei Diebstahl schwer ersetzen ließen. Sie sind gebraucht und stammen überwiegend aus den späten Siebzigern und frühen Achtzigern, der Zeit, als analoge Synthesizer noch Standard waren, bis sie von digitalen Geräten abgelöst wurden und man die Produktion der früheren Modelle einstellte. Heute sind sie begehrte Raritäten.

Dass sich Philipp Heimrich jetzt mit dem italienischen Produzenten und Betreiber des Labels Stroboscopic Artefacts Luca Mortellaro alias Lucy und dessen Landsmann Salvatore di Giovanni zusammengetan hat, um PhilSynth zu betreiben, ein Geschäft, in dem man analoge Synthesizer sowohl kaufen als auch reparieren lassen kann, ist keinesfalls eine Schnapsidee objektfetischistischer Nostalgiker. Seit einigen Jahren interessieren sich elektronische Musiker wieder stark für analoge Apparate, sei es als Alternative oder als Ergänzung zur digitalen Perfektion von Computern. Und Berlin ist – als „Welthauptstadt der elektronischen Musik“ – voll von Elektronik-Produzenten von überallher.

Nachdem es eine Weile schien, der Laptop hätte alle sonstigen Maschinen überflüssig gemacht, benutzt mittlerweile die Mehrheit der Musiker, die mit elektronischen Klängen arbeiten, in der einen oder anderen Form analoge Synthesizer älterer Bauart. „Es gibt derzeit eine große Leidenschaft für analoge und alte Synthesizer“, so Luca Mortellaro. „Und dann gibt es viele Künstler, die nicht mehr ständig der neuesten Technologie hinterherrennen, à la: Es gibt eine neue App fürs iPad, und schon wollen alle damit spielen. Denn wenn man die richtigen Sachen hat, kann man mit ihnen ewig weiterarbeiten. Daher gibt es einige Maschinen, die viele Musiker selbst nach 40 Jahren noch sehr schätzen.“

Wenn es jedoch Schwierigkeiten mit diesen Maschinen gibt, liegen die Dinge etwas komplizierter als bei einem iPad. Philipp Heimrich bringt als studierter Elektrotechniker das nötige Wissen mit, um sich im empfindlichen Innenleben eines Korg MS-20 oder eines Roland Juno-106 zurechtzufinden, die Fehler zu entdecken und zu beheben. Reparaturen an Synthesizern bietet er seit zwei Jahren an, ein Teil seiner Kundschaft, von denen einige große Sammlungen haben, stammt aus dieser Zeit. Auf Wunsch modifiziert er Geräte, wobei er allzu riskante Eingriffe lieber vermeidet.

Ironischerweise lernten Luca Mortellaro und Philipp Heimrich sich über einen ausgefallenen Änderungswunsch kennen, für den Luca von anderen Technikern zuvor nur Absagen bekommen hatte. Luca wurde zum regelmäßigen Kunden und begann mit Philipp zu überlegen, wie man seinen Service erweitern könnte. So entwickelt Philipp neben den Reparaturen auch eigene Prototypen von analogen Synthesizern, die Luca dann im Studio testet. Für die Zukunft ist die Produktion eigener Geräte zum Verkauf geplant.

Zunächst konzentriert sich Philipp jedoch auf die Reparaturen, bei denen es nicht zuletzt auf gute Quellen für die richtigen Ersatzteile ankommt – viele davon werden längst nicht mehr gebaut. Insofern ist sein Nachschub endlich: „Einige Teile sind markengeschützt. Die kann man ersetzen, das bedeutet jedoch wesentlich mehr Arbeit. Und solange die Sachen noch erhältlich sind, bezahlt man eben 100 Dollar für einen Chip, der in den Achtzigern vielleicht fünf Dollar gekostet hat. Irgendwann aber wird man anfangen müssen, die Sachen nachzubauen. Ich hoffe, das passiert nicht allzu bald.“

Auch bei den Synthesizern, um deren Ankauf sich Luca kümmert, sind die richtigen Kanäle entscheidend: „Es ist nicht einfach, die richtigen Maschinen zu finden, die man dann weiterverkaufen kann. Wir bemühen uns um moderate Preise, denn auf Ebay zum Beispiel gibt es oft echte Hypes mit irrwitzigen Preisen.“ Bei PhilSynth hingegen erhält man sogar eine Garantie von sechs Monaten. „Der entscheidende Gedanke war, für eine Stadt wie Berlin einen Ort als Anlaufadresse zu schaffen“, fasst Luca zusammen. Man fragt sich, warum nicht schon längst jemand diese Idee hatte. „Jetzt, da es uns gibt, will auf einmal jeder, mit dem wir sprechen, diese Idee gehabt haben“, lacht Philipp.

Ob man Analogem oder Digitalem den Vorzug gibt, mag zu großen Teilen eine Frage der Weltanschauung sein. Der Verzicht auf Computer kann andererseits einen ganz praktischen Nutzen haben, wie sich Luca erinnert: „Vor einem Jahr bereitete ich einen Auftritt in einer Galerie vor. Ich saß am Computer, und plötzlich dachte ich: Ich nehme die Maschinen mit. Ein Computerabsturz wäre für mich bei dieser Installation eine Katastrophe gewesen. Ich habe viel stärkeres Vertrauen in analoge Synthesizer. Solange du nicht den Stecker ziehst, funktionieren sie.“ Philipp Heimrich stimmt zu: „Der Vorteil von analogen Geräten besteht darin: Wenn etwas schiefgeht, dann knistert es vielleicht irgendwo, aber das Ding läuft. Ein digitaler Synthesizer funktioniert entweder – oder eben nicht. Dazwischen gibt es nichts. Eins oder Null.“

■ PhilSynth, Manitiusstraße 2; www.philsynth.com