Von Anubis zu Batman

AUSSTELLUNG Der ägyptische Künstler Khaled Hafez verbindet in seinen Werken das Religiöse und das Profane. Seine Werkreihe „Berlin Chromosomes“ präsentiert joggende Göttinnen und muskulöse Pharaonen

Sniper, Hubschrauber und Soldaten schlichen sich seit Mubaraks Sturz in die Bilder

VON BEATE SEEL

Anubis und Batman sind schon ein recht ungewöhnliches Paar. Zwischen der Erschaffung des altägyptischen Gottes und der Comicfigur liegen etwa 4.000 Jahre und ganze Kontinente. Für den bekannten ägyptischen Maler und Videokünstler Khaled Hafez, der diesen Bogen spannt, ist diese Art des Kulturtransfers nichts Ungewöhnliches. Beide Figuren gelten als „Superhelden“ ihrer Zeit, gleichen sich auffällig in ihrer körperlichen Darstellung mit Ausnahme des Profils und erfüllen die Funktion, andere vor dem Bösen zu schützen, zu kämpfen und zu lieben. „Ideen entstehen an einem Platz, und dann kehrt die Idee recycelt zurück“, erklärt Hafez in der kleinen Berliner Galerie Naimah Schütter, wo noch bis zum 19. September seine erste Einzelausstellung in Berlin zu sehen ist.

In den Bildern, Videos und Zeichnungen, die hier gezeigt werden, sind die beiden Pole, die Anubis mit dem charakteristischen Schakalskopf und Batman verkörpern, prägend. Das collageartig bearbeitete, vielschichtige Acrylgemälde mit dem Titel „Dakkar Running“ zeigt dieses kulturelle und zeitliche Cross-over, sowie das Nebeneinander von verfremdetem Religiösem und Profanem, wie es auch in zahlreichen anderen Arbeiten von Hafez thematisiert wird.

Prominenteste Figur ist ein Mann, der wie ein Pharao auf einem Thron sitzt – nur, dass sein Körper aus einem Bodybuilding-Magazin stammen könnte und er eine Batmankappe trägt. Daneben sprinten fünf kleine, superschlanke Joggerinnen in uniformer Fitnesskleidung in einer Reihe dem rechten Bildrand entgegen. Kopfbedeckungen oder Masken transformieren sie zu altägyptischen Göttinnen.

Die Läuferinnen sind auf der Flucht, „von einer Identität zur nächsten, vom Säkularen zum Religiösen oder umgekehrt. Oder in eine erzwungene Migration im physischen oder metaphorischen Sinn“, wie Hafez erläutert. Die Darstellung der Joggerinnen ähnelt jener von Personen in der flachen, zweidimensionalen Malerei, wie wir sie von Wandgemälden pharaonischer Gräber kennen, im Gegensatz zur perfekten Dreidimensionalität altägyptischer Statuen.

Im „alten“ Ägypten spielte die Perfektion des Körpers und der Erhalt seiner Schönheit eine solche Rolle, dass sie über den Tod hinaus erhalten werden mussten. Heute, in der globalisierten Konsumgesellschaft, verbreiten Massenmedien und Werbung die Sehnsuchtsbilder des muskulösen Helden und der magersüchtigen Frau.

In der Tat entnimmt Hafez die Vorlagen für seine Collageelemente Bodybuilding-Zeitschriften für männliche Figuren beziehungsweise der Werbung oder Boulevardpresse für die weiblichen. „Niemand sieht wirklich so aus“, fügt der Künstler erläuternd hinzu. „Auch die Darstellungen der Pharaonen wurden gemäß den damaligen Idealen korrigiert.“ Ein kleiner, dünner Heeresführer war damals absolut nicht gefragt: Macht musste sich auch körperlich manifestieren. Und eine Frau musste einen flachen Bauch, aber gerundete Hüften haben.

„Es geht mir um das Authentische und das Verfälschte, die Codes, Symbole und Logos, die jeder erkennt“, erklärt Hafez und verweist auf den französischen Philosophen Jean Baudrillard, der ihn stark beeinflusst hat. Auch in „Dakkar Running“ fehlen solche Elemente nicht. Im stark bearbeiteten monochromen Hintergrund des Bildes finden sich feine kleine Zeichnungen, darunter von Scharfschützen, die fast an ein Piktogramm erinnern.

„Ich entwickle neue Hieroglyphen“, sagte Hafez bei einem früheren Besuch in seinem Atelier in Kairo. Sniper, Soldaten, Maschinengewehre und Hubschrauber schlichen sich seit dem Sturz Mubaraks als jeweils gleiche schwarze Scherenschnitte in seine Bilder. Andere häufig verwandte Symbole sind die Tulpe oder die Rose, die auch in den ausgestellten Zeichnungen auftauchen. Sie stehen in der europäisch-westlichen Kultur für das Sinnliche, das in der östlichen Kultur von der Lotusblume repräsentiert wird.

Die Zeichnungen, die eigens für die Berliner Ausstellung angefertigt wurden, haben etwas Flüchtiges, Tagebuchartiges, die Figuren sind in ihrer Körperlichkeit und den Gesichtszügen individueller. Ganz anders die Malerei: Die Leinwände werden in mehreren Schichten untermalt, die zum Teil stehen bleiben und die Oberfläche in einzelne Segmente aufteilen – wieder ein Anklang an die Wandbemalung pharaonischer Zeit.

In „Dakkar Running“ wird die Tropftechnik, die die Werke von Hafez seit 2011 prägten, zurückhaltender eingesetzt als in dem ebenfalls ausgestellten Werk „Two Gods And Two Cats“. Die dünnen Streifen in kräftigen Farben, die in diesen Bildern über die Leinwand laufen und im dunklen, unteren Rand enden (ein Zeichen der Frustration über die politische Entwicklung?) stehen für die Vielfalt der Menschen auf dem Tahrirplatz, aber auch für die vielschichtige ägyptische Bevölkerung.

In seinem Atelier arbeitet Hafez an mehreren Bildern gleichzeitig, darunter Formate, die bis zu sieben Meter lang sind. Dann sitzt der Künstler in seinem roten Sessel, schaut sich seine entstehenden Werke an und malt mal hier weiter, mal dort.