Rückkehr der Naivität

Nein, mit der Moderne haben es weder LYND noch IriS Romen. Beiden kommen weder elektronisch erzeugte Klänge in den Sound noch sonstige Errungenschaften der vergangenen zwei, drei Umwälzungen im Popgeschäft. Stattdessen orientieren sie sich an klassischen Genres, die eine strenger, die andere mit einem eher ironischen Blick. Und so gerät die Beschäftigung mit der Vergangenheit bei beiden doch sehr unterschiedlich.

IriS Romen stellt bereits mit Titel und Cover ihres Debütalbums klar, dass die alte Zeit eine gute war. Das Foto, das „Vintage Gal Hour“ schmückt, leuchtet nicht nur mit Pastellfarben, sondern zeigt die seit 2004 in Berlin lebende Holländerin auch mit einem Kleidchen und einem dazugehörigen Blick, der gut in eine dieser seltsamen französischen Komödien passen würden, in denen Teenager versuchen, erwachsen zu werden, während sich ihre Eltern wie Teenager benehmen. Musikalisch führt diese Assoziation zwar in die falsche Richtung, weil Romen keine Chansons singt. Aber ihre Lieder, die mit originalem analogem Equipment aus den Sixties eingespielt wurden, versuchen altbekannten Klischees aus Country, Bar-Jazz, Americana oder Eisler-Songs eine gewisse Unschuld und Naivität zurückzugeben. Das gelingt weitgehend, weil die Musiker – vermutlich absichtlich – immer mal wieder ein wenig wackeln, als würden sie den jeweils adaptierten Stil gerade neu entdecken. Dazu singt Romen glockenhell wie eine Unschuld vom Lande und scheut sich auch nicht, mit der Andeutung einer Dialektfärbung einen besonders arglosen Eindruck zu erwecken.

Einen solchen ironischen Sicherheitsabstand hat Sarah Ehrenholz auf dem ersten Album ihrer Band LYND nicht eingezogen. Lieber hat sich die Wahlberlinerin von ihren Musikern, zu denen der zu Ostzeiten bei der Stern Combo Meißen oder Veronika Fischer tätige Trommler Michael Behm gehört, einen jazzigen, altersmilden Teppich aus Kontrabass und gern gerührtem Schlagzeug verlegen lassen, zu dem Ehrenholz akustische Gitarre spielt und sehr ernsthaft über die Fährnisse der Liebe singt. Ziemlich genau zwischen Jazz und Singer-Songwritertum hat Ehrenholz da eine Nische gefunden, die sie mit ihrer wunderschönen Stimme ausfüllt. Einziges Manko: Sie und ihre Mitmusiker sind technisch so wohlerzogen, dass noch das stimmungsvollste Stück an der eigenen Perfektion zu ersticken droht.

THOMAS WINKLER

■ IriS Romen: „Vintage Gal Hour“ (Chet/Kosmo Music/Groove Attack) ■ LYND: „Frail“ (), Record Release Party am 3. 5. im Café Hofperle, Karl-Marx-Str. 131-133