Der doppelte Copley

CONCEPT-ART Mit der legendären Edition „Shit Must Stop“ unterlief William Copley in den 60er Jahren den Kunstmarkt. Im Schauraum heldart im Bikini-Haus werden Copleys Ideen ein wenig weitergetrieben

Yoko Onos „Flickstelle für John“ enthält eine Gebrauchsanweisung, wie man eine zerbrochene Tasse mit Sekundenkleber wieder zusammenklebt

VON INGO AREND

Kann man Marcel Duchamp toppen? Nach dem Flaschentrockner im Museum kann eigentlich nichts mehr kommen. Denkt man sich. Doch dass die Konzeptkunst ihre Gedankenspiele immer noch eine Stufe weiterdrehen kann, zeigt jetzt die Ausstellung mit dem seltsamen Titel: „William Copley S.M.S., William Copley S.M.S.“. Der Berliner Ausstellungsmacher Matthias Held und sein Künstlerfreund Saâdane Afif zeigen sie gerade in einem leerstehenden Geschäft des Bikini-Hauses am Breitscheid-Platz.

Zu sehen ist die legendäre Fluxus-Edition „Shit Must Stop“ aus dem Jahr 1968, abgekürzt S.M.S., in der Copley Werke u. a. von Duchamp, John Cage, Man Ray und Yoko Ono herausbrachte. Held hatte sie im vergangenen Jahr gekauft. Als er seinem Freund Afif davon erzählt, will der ihn herausfordern. Wenn er sie ausstelle, bietet der 1970 in Frankreich geborene Künstler Held an, werde er mit einer eigenen Arbeit darauf reagieren.

Fluxus im Abo

Von diesem Prozess her erklärt sich der Titel der Ausstellung: Die Edition wird nämlich zweimal ausgestellt. Afis hat Helds Auswahl von 36 der insgesamt 72 Werke starken Edition exakt gedoppelt – selbst in den Grundmaßen der Rauminstallation, die dieser eigens von einem Rahmenbauer konstruieren ließ. Dafür hat Afif die Edition zuvor selbst noch einmal erworben.

Abgesehen von der scheinbar absurden Idee bringt die Ausstellung zunächst einmal das Wiedersehen mit einer der interessantesten Kunstaktionen der 60er Jahre, die auf den 1919 geborenen Fluxus-Künstler, Sammler und Galerist William Copley zurückgeht. Die halbjährlich erscheinende Edition erreichte 1968 eine Auflage von 2.000 Exemplaren. Künstler wie Bruce Nauman, Christo oder Lawrence Weiner waren mit von der Partie bei dem Versuch, den Kreislauf des Kunstsystems zu unterlaufen: Interessenten konnten die Arbeiten bei Copley „abonnieren“. Der Zwischenhandel war ausgeschaltet. Krönung des Projekts ist eine Arbeit, die Marcel Duchamp, Ahnherr der Afif’schen Kunst, wenn man so will, noch kurz vor seinem Tod 1968 schuf: eine sieben Minuten lange Aufnahme eines doppeldeutigen Wortspiels auf Schallplatte, wie es Duchamp schon in seinem „Anémic Cinéma“ von 1926 verwandt hatte.

Verrückte Kostbarkeiten

So wie der Komplex im heldart-Schauraum nun zu sehen ist, erscheint er wie die Bestätigung der Grundidee der Konzeptkunst, nach der die sinnliche Qualität der Werke nicht das Entscheidende ist, sondern der Gedanke dahinter. Und in der Tat kann man Afifs Entscheidung, die Ausstellung zu doppeln, als Installation gewordene Idee sehen, das serielle Prinzip von S.M.S. zu wiederholen.

Etwas im Dunkeln bleibt, ob Afifs Setzung wirklich Held in die Kuratoren-Rolle zwingt, die der unkonventionelle Ausstellungsmacher für sich seit jeher konsequent ablehnt. Denn dessen Auswahl erscheint weniger systematisch als persönlich begründet.

Zugleich widerlegt die Schau auch die Konzeptidee. Weil sie die Objekte dieses Kunstgriffs sinnlich in Erinnerung ruft. Wie man an Meret Oppenheims kleiner Papierarbeit „Der Spiegel der Genoveva“ sehen kann. Der Druck zeigt einen pelzüberzogenen Handspiegel, dessen Griff in einen Huf mündet und auf dessen Spiegelfläche sich das Gesicht eines Pelztiers zeigt. Oder an Yoko Onos „Flickstelle für John“, eine kleine weiße Box, die eine Gebrauchsanweisung dafür enthält, wie man die zerbrochene Tasse darin mit Sekundenkleber wieder zusammenklebt. Die Edition ist eine Fundgrube verrückter Kostbarkeiten.

Dass nun in Berlins Bikini-Haus, der frisch eröffneten Nobel-Shopping-Mall, für ein paar Wochen unverkäufliche Kunst zu sehen ist, kann man als reizvollen Kontrapunkt zur Konsumästhetik deuten, die Helds temporären Kunstraum umgibt. Nach sechs Monaten und vier Schauen will er die Zwischennutzung der Räume wieder aufgeben. Die zweigeteilte Ausstellung nimmt aber auch die Ästhetik des Hauses auf, das seinen Namen von dem 1957 eröffneten, damals noch architektonisch zweigeteilten Gebäude ableitete. Nun findet man in Berlins neuer „Concept-Mall“ ein schönes Beispiel raffinierter Concept Art – noch dazu eine höherer Ordnung.

■ heldart Saâdane Afif: William Copley S.M.S., William Copley S.M.S. Bikini Berlin Budapester Str. 50 (1. Stock), bis 7. Mai