„Ich gehe mit schwulen Figuren doch nicht sanfter um“

LIEBE Ein Kinofilm, der homosexuelle Beziehungsprobleme zeigt, ist immer noch neu in Polen. Der Regisseur Tomasz Wasilewski hat soeben den Film „Schwimmende Wolkenkratzer“ gedreht, der nun in Berlin zu sehen ist. Und er hat damit Diskussionen ausgelöst

■ Der 1980 geborene polnische Drehbuchautor und Regisseur studierte an der renommierten Filmhochschule in Lodz. Sein erster Spielfilm „Im Schlafzimmer“ (2012) handelt von einer 40-jährigen Frau, die männliche Zufallsbekanntschaften ausnimmt. Sein zweiter Film, „Schwimmende Wolkenkratzer“, der jetzt im Rahmen des Festivals „filmpolska“ gezeigt wird (www.filmspolska.de), erörtert das Thema Homosexualität – ein relatives Novum im polnischen Kino. Als sich der Schwimmer Jakub in einen anderen jungen Mann verliebt, hat er fortan mit seiner Freundin, seiner Mutter, vor allem aber mit sich selbst zu kämpfen.

taz: Herr Wasilewski, Ihr Film „Schwimmende Wolkenkratzer“ wird jetzt bei dem Festival filmpolska in Berlin gezeigt. Ursprünglich sollte der Film von zwei jungen Frauen handeln, nun handelt er von zwei jungen Männern. Warum haben Sie das Skript umgeschrieben?

Tomasz Wasilewski: Ich interessiere mich in meinen Filmen vor allem für Frauen, wie in meinem Erstling „Im Schlafzimmer“. Deshalb handelte der Film zuerst von einer Mutter und einer Tochter, und die Tochter hatte eine Beziehung zu einem anderen Mädchen. Aber schließlich dachte ich, es wäre heftiger, den Film über zwei Männer zu drehen. Vor allem in unseren postkommunistischen mitteleuropäischen Ländern werden zwei Mädchen, die auf der Straße Händchen halten, eher akzeptiert als zwei Männer.

Warum?

Weil Polen sehr traditionell, sehr katholisch ist. Solche Figuren gibt es im polnischen Kino eigentlich nicht.

Aber die katholische Kirche hat doch heute viel weniger Macht.

Ja, aber wir sind immer noch sehr traditionell. Wir haben zum Beispiel sehr wenige ethnische Minderheiten. Anderseits lebe ich in Warschau und sehe ja auch die Veränderungen. Wir sind das einzige Land in Europa, das eine Transsexuelle im Parlament hat. Da ändert sich schon etwas. Doch das Kino hatte das nie aufgegriffen.

Es gab in letzter Zeit aber ein paar polnische Filme mit schwulen Helden: „Suicide Room“, „Im Namen des …“ oder „Das Geheimnis“.

Das stimmt. Vielleicht dreht meine Generation von Filmemachern weniger historische Filme, etwa über den Kommunismus, weil wir uns nie mit Geschichte auseinandersetzen mussten. Wir mussten nie kämpfen. Als der Kommunismus zusammengebrochen ist, war ich neun. Ich kann mich noch an diese Zeit erinnern, aber sie belastet mich nicht. Wir verspüren keinen Druck, ein soziales oder politisches Statement abzugeben. Wir jüngeren osteuropäischen Regisseure versuchen, stimmige Figuren zu zeichnen und menschliche Verhaltensweisen zu ergründen.

Warum haben Sie sich den ja sehr sinnlichen Mikrokosmos des Schwimmens für Ihren Helden Jakub ausgesucht?

Ich wollte einen Film über einen normalen Typen aus Warschau machen, der studiert, athletisch ist, der Träume und eine Perspektive hat. Für Jakub ist das Wasser wie ein zweites Zuhause. Unter Wasser fühlt er sich sicher. Aber dort gibt es keine Luft. Also muss er auftauchen, doch das macht ihm Angst. Das war für uns die Metapher. Andererseits ist Jakub dort von disziplinierten und gut aussehenden männlichen Sportlern umgeben, und das ist ein weiterer Konflikt für ihn. Aber der Film soll kein Statement sein. Es war wichtig für uns, einen Film über schwierige Beziehungen zu machen. Es wäre einfach gewesen, die Figur in einer total homophoben oder kirchlichen Umgebung anzusiedeln. Aber wir wollten das echte Leben darstellen.

Trotzdem hatte ich den Eindruck, dass die schwule Liebesbeziehung nur tragische Folgen hat.

„Ich fühlte mich nicht zu einem Happy End verpflichtet“

TOMASZ WASILEWSKI

Aber mir käme nie in den Sinn, gewisse Figuren besser oder schlechter zu behandeln. Ich fühlte mich bei der homosexuellen Liebesgeschichte nicht verpflichtet, ihr ein Happy End zu geben. Wenn ich mir meine Drehbücher generell anschaue, schwebt da immer so etwas Düsteres über ihnen, sie sind immer tragisch. Dass also zwei Männer sich ineinander verlieben, hat mich nicht dazu verleitet, sanfter mit ihnen umzugehen.

Wenn es also eine Liebesgeschichte zwischen einem Mann und einer Frau gewesen wäre, wäre die Liebe auch gescheitert?

Ich fürchte, ja. Mein Film handelt von Figuren, egal ob hetero oder schwul. Natürlich möchte ich die Zuschauer mit meinen Filmen berühren, aber wie die Filme dann genau rezipiert werden, darauf habe ich keinen Einfluss. Die Reaktion, die ich eigentlich am meisten höre, ist, dass „Schwimmende Wolkenkratzer“ ein Film über die Liebe ist. Egal, ob das Liebesobjekt ein Mann oder eine Frau ist. Das ist das größte Kompliment, das man mir machen kann. Es gibt viel Pessimistisches und Tragisches in meinen Filmen, bereits in meinen Kurzfilmen. Aber für mich sind sie nicht traurig, sondern erzählen von der totalen Liebe. Vielleicht bleibt Liebe in Filmen relevant und wichtig, wenn sie tragisch endet.

INTERVIEW: KIRA TASZMAN