Lieder, die die Welt verändern

LUSOPHONIE Am Anfang der Nelkenrevolution in Portugal vor nunmehr 40 Jahren standen signalhaft zwei Lieder. Daran erinnert man bei der Wassermusik ein bisschen und schaut mehr auf den portugiesischen Sprachraum

Das Lied „E dopois do adeus“ war das Signal an die aufständischen Truppen

VON THOMAS MAUCH

Natürlich hat die Musik eine Wirkmacht. Sie kann für Umstürze sorgen in der Welt. Und das manchmal ganz unmittelbar.

Da hätte man beispielsweise das Liedchen „E depois do adeus“ von Paulo de Carvalho, mit dem der portugiesische Sänger beim Grand Prix d’Eurovision antrat, 1974. Mit einem eher lausigen Ergebnis. Nur drei Punkte gab es für seinen Beitrag. Und dennoch war es genau dieses Lied, das eine Revolution auslöste, nämlich die Nelkenrevolution in Portugal mit dem Aufstand großer Teile der portugiesischen Armee, die einfach keine Lust mehr hatten auf die von Salazar hinterlassene autoritäre Diktatur im Land.

Als am 24. April 1974 in der Nacht „E depois do adeus“ (auf Deutsch „Und nach dem Abschied“) im portugiesischen Rundfunk gespielt wurde, war das ein erstes Geheimsignal an die aufständischen Truppen, wenige Minuten bestätigt durch das Abspielen von „Grândola, vila morena“. Dieses Lied des antifaschistischen Sängers José Afonso hat sich dann doch als das eigentliche Lied der Nelkenrevolution eingeprägt.

Lieder als Geheimzeichen. Lieder, die die Welt veränderten. Dazu gehört dann auch „White Christmas“, so ein weiterer Signalsong. Als er am 29. April 1975 im Radio der US-amerikanischen Streitkräfte übertragen wurde, neckischerweise nach dem Hinweis, dass die Temperatur in Saigon weiter steigen werde, wussten die Eingeweihten gleich, dass es nun mit der Evakuierung der US-Botschaft in Saigon los- und damit mit dem Vietnamkrieg zu Ende geht.

Und das mit den Liedern als Geheimzeichen wäre doch auch mal ein schönes Thema für ein Festival, bei dem man fanfarengleich diese Songs als Kickstarter einer Revolution oder sonstiger umsturzhafter Bewegungen präsentieren könnte und dann gleich auf einem Panel darüber räsonieren, wie das eigentlich heutzutage mit den Codes und Geheimbotschaften funktioniert, in einer Zeit, in der man mit den sozialen Netzwerken doch kommunikativ anders vergesellschaftet ist und nicht mehr so allgemein vor dem Radio sitzt und deswegen Entscheidendes möglicherweise gar nicht mehr mitbekommt, wenn so ein signalhaftes Lied doch mal im Radio gespielt wird.

Von „E depois do adeus“ und „Grândola, vila morena“ ist nun auch im Programmheft zum diesjährigen Wassermusik-Festival im Haus der Kulturen der Welt die Rede, ohne dass man sich deswegen gleich auf diese beiden Lieder konzentrieren wollte. Im Musikprogramm kommen sie jedenfalls bei dem am Freitag beginnenden Festival nicht vor.

Bezug auf sie wurde genommen, um ein wenig den geschichtlichen Hintergrund auszuleuchten mit der Nelkenrevolution vor vierzig Jahren, in deren Folge sich Portugal dann auch von seinen Kolonien verabschiedete und sie in die Unabhängigkeit entließ, die Kapverdischen Inseln, Guinea-Bissau, Angola, Mosambik. Womit man über die Welt verteilt einige Länder zusammen hat, in denen auch weiterhin Portugiesisch gesprochen wird. Nicht zu vergessen natürlich Brasilien, dessen Unabhängigkeit allerdings bereits 1825 von Portugal anerkannt wurde.

Dieser portugiesischsprachige Raum – die Lusophonie – ist dann das eigentliche, musikalisch recht weitläufige Thema der Wassermusik, die in diesem Jahr unter „Lusofonia“ firmiert, mit Auftritten von Musikern aus Angola, Mosambik, von den Kapverden, aus Brasilien und auch aus Portugal.

Aber irgendwas fehlt ja immer. Eine weitere Facette zu den lateinamerikanischen, afrikanischen und europäischen Musiken aus dem Großraum der Lusophonie wäre dann noch was aus Asien gewesen. Zum Beispiel ein Beitrag aus Macao. Auch in dieser Sonderverwaltungszone in China ist Portugiesisch weiterhin Amtssprache.

Und in Sachen musikalischer Wirkmacht sollte vielleicht doch noch ergänzt werden, dass 1974, man erinnert sich bestimmt, beim Grand Prix d’Eurovision diese schwedische Band gewonnen hat, mit „Waterloo“.