Gefahr Berlin

Wer erinnert sich noch an die seltsame Debatte, ob Berlin gefährlich für die Kreativität ist, weil man vor lauter Feiern nicht zum Kunstmachen komme? Keine Ahnung, ob Tipps Für Wilhelm vor einem Jahr die aufgeregten Artikel gelesen haben, aber die fünf Berliner scheinen schon vergleichbare Erfahrungen hinter sich zu haben. Schlagen sich doch die Protagonisten, die sich in den Songs ihres Albums „Hornissen“ tummeln, mit Vorliebe die sperrstundenlosen Nächte um die Ohren. Nicht nur in „Gehen oder bleiben“ besingt Guillermo Morales das Dilemma, das einen irgendwann vor Morgengrauen befällt, wenn man eigentlich nach Hause sollte, aber Angst hat, doch noch etwas zu verpassen: „Wer jetzt schlafen geht, ist wirklich am Ende.“ Später, in „Sieben Tage wach“ ist der Held dann wirklich am Ende und leidet an Schlafstörungen. Irgendwann landen dann alle in „Warnemünde“ und stellen fest: „Wir hatten keine Ahnung.“ Und: „Was am Ende bleibt, ist, was am Ende reicht.“

Natürlich sind das bloß die nicht mehr allzu neuen Nachrichten aus dem Magen einer Bürgersöhnchengeneration, die Langeweile mit Verzweiflung verwechselt und es schon für erwähnenswert und irre existentialistisch hält, am offenen Fenster eine Zigarette zu rauchen. Allerdings muss man zugeben: Während die Gitarren ziemlich unaufgeregt dängeln, singt Morales seine mit sympathischer Lakonie getexteten Lieder mit einer zwar dringlichen, aber angenehm zurückhaltenden Intensität, die in ihren besten Momenten an Tomte erinnert.

The Buttering Trio dagegen hat das böse Berlin hinter sich gelassen. Die Israelis KerenDun, Rejoicer und Beno Hendler haben sich zwar hier zur Band zusammengefunden, sind aber ins heimatliche Tel Aviv zurückgekehrt. Ob das Intermezzo der drei Zappa-Fans in Berlin ähnliche Spuren wie bei Tipps Für Wilhelm hinterlassen hat, lässt sich nur schwer feststellen, denn auf ihrem Debütalbum „Toast“ wird kein Deutsch und eher selten Englisch gesungen, dafür allerdings öfter Hebräisch.

Man kann hoffen, dass Berlin ein prägender Einfluss auf das Trio gewesen ist. Dann wäre die Hauptstadt ein aufregender Schmelztiegel, in dem Jazz und House-Beats, Prog-Rock und Kleinkinder-Pop, arabische Einflüsse und eleganter Soul ganz selbstverständlich miteinander versöhnt werden. In einer Stadt mit so einem Soundtrack schlägt man sich gerne die Nächte um die Ohren. THOMAS WINKLER ■ Tipps Für Wilhelm: „Hornissen“ (Januar/Broken Silence), live am 25. 7., 20 Uhr, Privatclub

■ The Buttering Trio: „Toast“ (Raw Tapes), live am 27. 7., 11 Uhr, „Jazz in the Garden“ im Jüdischen Museum, Eintritt frei