Einblick (533)

Marcus Kettel, Kurator & Kunstberater

■ Marcus Kettel, geboren in Stuttgart, studierte Kunst-und Kulturwissenschaft in Berlin und Lüneburg, assistierte bei Jan Hoet auf der „documenta IX“ und arbeitete später in Berlin u. a. für den „Kunstverein Shift e. V.“ und in Stuttgart u. a. für die „Akademie Schloss Solitude“, bevor er begann, eigene Ausstellungsprojekte zu kuratieren. Er leitete mehrere Projekträume, etwa die Produzentengalerie „Axel Obiger“. Seit 2014 leitet er „REH-transformer“, in dem er mit interdisziplinären, interaktiven Ansätzen Grenzen der zeitgenössischen Kunst ausloten lässt. Infos: rehtransformer.com

taz: Welche Ausstellung in Berlin hat Sie/dich zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum? Marcus Kettel: Die 8. Berlin Biennale hat mich an-, aber auch etwas aufgeregt: Ich hätte mir ein innovativeres kuratorisches Konzept gewünscht, das sich direkter mit dem „heutigen Berlin“ auseinandersetzt und stärker den Ursprungsgedanken der Berlin Biennale hinsichtlich der Erforschung von neuen künstlerischen Entwicklungen (auch aus der Subkultur Berlins heraus) berücksichtigt. Gefehlt haben mir die Auseinandersetzung mit dem urbanen Raum, Experimentierfelder für visionäre Tendenzen in der aktuellen Kunst sowie ein reflexiver Blick auf das aktuelle Berlin. Die diesjährige Biennale war für mich ein kleines Revival der Kontext-Kunst unter postkolonialen Vorzeichen und brachte vor allem historische Erkenntnisse. Hier noch zwei künstlerische Einzelbeiträge, die mich besonders angeregt haben: Olaf Nicolais Rekonstruktion des Bodenornaments eines DDR-Einkaufzentrums sowie das Video der nigerianischen Künstlerin Otobong Nkonga mit ihrer Performance. Welches Konzert oder welchen Klub können Sie/kannst du empfehlen? Ich freue mich auf das nächste Konzert der Einstürzenden Neubauten im Tempodrom im November. Ich bin gespannt, wie Blixa Bargeld und seine Musiker neue avantgardistische „Klagelieder“ performen, die sich auf Tonaufnahmen aus Gefangenenlagern des Ersten Weltkriegs beziehen. Dazu kann ich das neue Album „Lament“ empfehlen. Welche Zeitung/welches Magazin und welches Buch begleite Sie/dich durch den Alltag? Außer diversen Kunstzeitschriften wie Parkett, Art Review, Frieze, Texte zur Kunst, Kunstforum und diversen Musikzeitschriften wie Spex lese ich gerade „Wie viel ist genug?“ von Robert und Edward Skidelsky, der eine Wirtschaftswissenschaftler und der andere Philosoph. Beide nehmen darin das Thema „Wachstum“ in die Zange und kommen zur Schlussfolgerung, dass jeder Mensch auf der Welt die sechs Basisgüter Gesundheit, Sicherheit, Respekt, Persönlichkeit, Harmonie mit der Natur und Freundschaft brauche. Das Buch liefert interessante Aspekte, um über tägliche Konsumentscheidungen neu nachzudenken. Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht Ihnen/dir am meisten Freude? Mein Mountainbike, das mich als alltägliches Transportmittel am direktesten zu meinen verschiedenen Arbeitseinsätzen bringt und mir auf dem Weg stets überraschende Entdeckungen im Stadtraum ermöglicht. Das Rad, für mich eine geniale Erfindung der Menschheit.