Ungestüme Jugendlichkeit

KONZERT Das Konzerthaus geht auf Tour durch Berlin: Der Auftakt des Kiez-Konzert-Festivals fand im Me Collectors Room statt

Die Eröffnung der Konzertsaison, Abteilung Klassik, ist eindeutig russisch geprägt in diesem Jahr: Am Samstag startete man in der Philharmonie – derzeit Spielort des Musikfests Berlin – mit Rachmaninow und Strawinsky. Beim Saisoneröffnungskonzert im Konzerthaus wird es Schostakowitsch und Tschaikowsky zu hören geben. Das wird allerdings erst am 10. Oktober geschehen. Grund für die verlängerte Sommerpause sind Baumaßnahmen im Konzerthaus. Das Haus am Gendarmenmarkt bekommt eine neue Bühne.

Gespielt wird trotzdem. Wenn die Menschen nicht ins Konzerthaus kommen (können), muss das Konzerthaus eben zu den Menschen gehen: Das ist die Idee des Kiez-Konzert-Festivals. Bis zum Montag werden von Mitgliedern des Konzerthausorchesters Orte von recht unterschiedlichem Zuschnitt wie die Hörsaalruine der Charité oder die Ufafabrik bespielt.

Auftakt dieser konzertanten Wanderbewegung machte am Montag ein Gastspiel mit Streichoktetten von Felix Mendelssohn-Bartholdy und Max Bruch im Me Collectors Room – dem Ausstellungshaus an der Auguststraße, in dem Exponate aus der Kollektion des Wella-Erben und Sammlers Thomas Olbricht und anderen privaten Kunstsammlungen gezeigt werden. Derzeit sind das Arbeiten aus der Sammlung Sandretto Re Rebaudengo unter dem Titel „Stanze/Rooms“. So saß man rundum flankiert von einer Kunst, die hübsch abwechslungsreich das Thema des Wohnraums durchspielt.

So ein intimer Rahmen, mit Kunst aus einer Sammlung an der Schnittstelle zwischen privatem und öffentlichem Raum, skizziert doch eine andere Stimmungslage als im angestammten Konzerthaus. Fast eine Salonatmosphäre. Dazu passte das romantische Programm mit einem Frühwerk des recht jung verstorbenen Mendelssohn und einem späten Werk des recht alt gewordenen Bruch. Im direkten Vergleich mochte man hören, dass man im Alter bei den langsamen Partien punktet. Wenigstens im Adagio lag Bruch in Sachen Ausdruck vor Mendelssohn, dessen Streichoktett Es-Dur (op. 20) ansonsten aber deutlich unterhaltsamer war, ein echtes Glanzstück des damals 16-Jährigen, in dem er zeigte, dass er seinen Mozart bestens verdaut hatte mit den effektvollen Verflechtungen der Motive und Melodien. Ungestüme Jugendlichkeit, jubilierend in den schnellen Partien. Was die Streicherfraktion des Konzerthausorchesters gerne auskostete.

Gegenüber so einem jugendlichen Schaustück könnte man das Oktett B-Dur, das Bruch am Ende seines Lebens (er starb 1920) geschrieben hat, mit etwas Bösartigkeit als altersstarrsinnig bezeichnen, fest verschanzt im 19. Jahrhundert und nichts wissen wollend von Neuerern wie Strawinsky. Aber Neuerungen, die er als „musikalischen Sozialdemokratismus“ bezeichnete, stand Bruch sowieso zeitlebens skeptisch gegenüber.

Aufgeschlossener gegenüber frischen Ansätzen zeigt man sich im Konzerthaus mit der Kiez-Konzert-Reihe. Heute ist man mit einem Marimba-Vibrafon-Duo und Ravel und Piazzolla zu Gast in den Weddinger Uferstudios. THOMAS MAUCH

■ Kiez-Konzert-Festival bis 8. September, www.konzerthaus.de