Zweifel und Selbstfindung

Für so einen Satz wäre man als Rapper früher vermutlich gesteinigt worden. Chakuza rappt ihn trotzdem: „Man sucht doch nur einen, den man lieb haben könnte“. Auch sonst ist der österreichische Wahlberliner weit entfernt von dem, was einst als „Berliner Härte“ firmierte. Dann rappt er auf seinem neuen Album, „Exit“, doch mal: „Ach, fick dich doch!“, aber arg resignativ – und nur einen Reim später gibt er zu, dass er für eine Frau sogar in Erwägung ziehen würde, ein Kuschelrock-Album zu kaufen.

Ja, so kann man sich ändern. Gar nicht so lange her, da war Peter Pangerl, wie Chakuza hieß, als er 1981 in Linz geboren wurde, noch ein Gangsta-Rapper. Ja, er produzierte sogar jahrelang dem deutschen Obergangsta Bushido die Tracks. Der hatte Mitte der Nullerjahre Pangerls damalige Band Beatlefield entdeckt und als Zuarbeiter verpflichtet. Auch auf seinen eigenen Platten gab Chakuza den harten Mann, bis er sich mit Bushido zerstritt und noch mal von vorn anfing. Auf dem Album „Magnolia“ im vergangenen Jahr verarbeitete er bereits diese Lebenskrise, nun ist die Wandlung abgeschlossen. Und „Exit“ ist das vielleicht beste deutsche Rap-Album dieses Jahres: Über schlierenden, aber niemals öden Beats erzählt Chakuza von Zweifeln und Selbstfindung, von Niederlagen und Neuorientierung. Seine Bilder stimmig, seine Reime nie gezwungen, sein Flow geschmeidig, und die Wortakrobatik hat sich zugunsten poetischer Wahrhaftigkeit verabschiedet. Andererseits: Chakuza verlässt nun pünktlich zur Veröffentlichung des Albums nach fast einem Jahrzehnt Berlin und zieht ins Bayerische auf einen eigenen Gutshof mit Vieh und Blick ins Grüne. Dort geht es sicher beschaulicher zu, aber ob man dort leichter jemanden findet, den man lieb haben kann?

Nicht ganz so dramatisch ist die Mutation von Olson. Auch der war mal ein Battle-Rapper, wenn auch nicht von der ganz harten Sorte. Mit „Ballonherz“ macht der 27-jährige Wahlberliner aus Düsseldorf nun eher einem Chartstürmer wie Cro Konkurrenz, lässt den Rhythmus reduziert klappern, singt gefällig in den Refrains und berichtet aus dem Alltag seiner jugendlichen Zielgruppe. Es geht um Fernweh, Feiern, die Probleme, eine Wohnung in Berlin zu finden, Zukunftsangst, Chanel, Libeskind und die Sache mit den Mädchen. Das ist nicht neu, erst recht nicht revolutionär, aber findet vermutlich sein Publikum, dem hier in durchaus eleganten Reimen und in niedlichen Melodien aus dem Herzen gesprochen wird.

THOMAS WINKLER

■ Chakuza: „Exit“ (Four Music/Sony), live am 14. 12. im C-Club

■ Olson: „Ballonherz“ (Urban/Universal), live am 13. 11. im Magnet