EINMAL HOCHREICHEN, BITTE!
: Geretteter Schuh

Und dann kommt doch einer, zwei

Von da, wo ich sitze und schreibe, schau ich in einen Garten mit Büschen und Bäumen; Erdgeschoss, Terrassentür, alles meins, und darum wohl auch mit einer Mauer so halb drumrum. Über diese Mauer kommen die tollsten Sachen zu mir: Vögel und Katzen und Bälle und Flaschen, und bei Bällen und Flaschen auch immer noch was hinterher, nämlich ein Kind, Kopf zuerst, dann Hände, ein Knie und dann ist es da, hockt auf der Mauer, guckt nach unten, in meinen Garten. Wenn es lang genug hockt und so schaut, das Kind, entdeckt es dann auch mich und winkt. „Können Sie mir mal die Cola hochreichen“, fragt es. Oder: „Den Ball?“ Und ich stehe dann auf, gehe hinaus, trete Büsche und Gras, fische Flaschen und Bälle, reiche sie hoch, drei Mal am Tag; nerven tut das schon.

Als viertes kam heute ein Schuh geflogen, ein einzelner, braun. Zehn Minuten ist das jetzt her, und seit zehn Minuten starre ich ihn an, denn den Schuh kommt keiner holen und das finde ich komisch. Was ist los mit dem Schuh? Will ihn denn keiner? Ich schaue und schaue, Größe 36, würd ich mal sagen, ein linker und fast neu.

Und dann kommt doch einer, genauer gesagt, kommen zwei. Eine Eins-a-Schuhrettungsaktion legen sie hin, voll spannend ist die: Einer bleibt oben, einer springt runter, zack in die Blumen, greift nach dem Schuh, reicht ihn dem oben, der verschwindet so schnell, dass ich Angst kriege, er sei gestürzt. Ich schaue wieder auf den im Garten. Der kennt sich aus, rennt nach links, denn da ist keine Mauer, sondern der Hof und die Tür zur Straße; rumms, schon fällt sie ins Schloss. Mist, denke ich, jetzt sind sie weg, denn so gut wie die das können, sollte ich die anstellen für all die Bälle und Flaschen. Zehn Cent würd ich zahlen pro Mal, dass ich nicht selbst aufstehen muss, das wär es mir wert. Nur auf die Blumen springen dürften sie nicht, aber das könnten sie lernen. JOEY JUSCHKA