Schaffe, schaffe, Häusle klaue

Der Berliner Ratschlag, ein Bündnis stadtpolitischer Initiativen, ruft zur Aktionsphase „Verdrängung stoppen!“ auf. Bis Ende Oktober sind Proteste und Veranstaltungen geplant.

Samstag, 18. Oktober Lärm-Demo „Zu viel Ärger – zu wenig Wut!“ 14 Uhr, Herrfurthplatz ■ Samstag, 25. Oktober Fahrradtour von „Wem gehört Kreuzberg“ gegen Kiezklau, 15 Uhr, Zickenplatz ■ Montag, 27. Oktober „Besetzen, Blockieren, Mietstreik – Praktische Interventionen gegen Verdrängung und Wohnungsklau“. 19 Uhr, Allmende, Kottbusser Damm 25–26 ■ Alle Veranstaltungen unter: berliner-ratschlag.org

„Besetzen, Blockieren, Mietstreik“ – darüber wird am Montag, dem 27. Oktober in Kreuzberg diskutiert. Ziel ist, die Perspektiven der etwas radikaleren Interventionsformen auszuloten, mit denen sich Betroffene gegen Verdrängung wehren können. Die Veranstaltung findet im Allmende statt. Das Haus für alternative Migrationspolitik und Kultur strahlt dieser Tage das passende Ambiente aus. Denn das Allmende ist selbst von Verdrängung bedroht. Zum Ende des Jahres soll der Verein seine Räume am Kottbusser Damm verlassen; das Mietverhältnis wurde beendet, eine Räumungsklage liegt bereits vor. „Wir sind seit acht Jahren in den Räumlichkeiten und inzwischen hat sich hier ein soziales und kulturelles Zentrum entwickelt“, sagt Ahmet Beyazkaya vom Verein Allmende. „Ich bin überzeugt, dass der Eigentümer sich höhere Mietpreise ausrechnet, als wir als alternativer und unabhängiger Verein zahlen können“. Ein neuer, nicht rein profitorientierter Mietvertrag würde die Begegnungsstätte erhalten.

Ein Schicksal, das die Allmende mit vielen teilt – und das symptomatisch ist für eine Stadt im Investorenglück. Doch es regt sich Protest. Diesen Samstag wird auf dem Kottbusser Damm für den Erhalt des Allmende demonstriert. Die Protestkundgebung ist Teil der Aktionstage des Berliner Ratschlages, der sich im April gründete, um den vielen stadtpolitischen Initiativen eine gemeinsame Plattform anzubieten. Neunzehn Initiativen beteiligen sich inzwischen am Berliner Ratschlag. Das Spektrum reicht vom Bündnis „Zwangsräumung verhindern“, über Kotti & Co bis zum Berliner Energietisch.

„Die stadtpolitischen Kämpfe in Berlin sind vielfältig, laufen aber viel zu oft nebeneinander her und sind auch deswegen noch nicht mächtig genug, um steigende Mieten, Verdrängung und die renditeträchtige Umgestaltung unserer Stadt wirklich zu stoppen“, sagt Sarah Walter, die im Ratschlag aktiv ist. „Mit den gemeinsamen Aktionstagen im Oktober wollen wir besser sichtbar werden und noch mehr Menschen erreichen.“

Im Rahmen der Aktionstage sind bis Ende Oktober noch zehn Veranstaltungen geplant. Ein Highlight dürfte die Lärm-Demo in Neukölln werden, die ebenfalls diesen Samstag stattfindet.

Auch hier ist das Motto kämpferisch gewählt: „Zu viel Ärger – zu wenig Wut!“. Das Motto bezieht sich auf den Umstand, dass die Verdrängung von Mietern und Projekten mit kleinem Portemonnaie stetig weitergeht. Die Mühlen der Politik mahlen derweil langsam. Erste politische Erfolge kann die stadtpolitische Bewegung aber inzwischen aufweisen.

Nach langem Hin und Her hat der Berliner Senat im Sommer eine neue Liegenschaftspolitik eingeführt. Der Zwang, landeseigene Grundstücke ausschließlich zum Höchstpreis zu verkaufen, ist damit vom Tisch.

Nun haben theoretisch auch alternative Projekte, mit kleinem Budget, aber großem sozialem oder kulturellem Mehrwert eine Chance. Auch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sollen so günstig an Grundstücke kommen und bezahlbare Mietwohnungen errichten können.

Gleiches wird nun auch auf Bundesebene diskutiert. Die BImA, die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, hält noch zahlreiche Grundstücke in Berlin. Aktuelles Beispiel ist das Dragoner-Areal hinter dem Rathaus von Friedrichshain-Kreuzberg. Wie bekannt wurde, schoss der Kaufpreis im anonymen Bieterverfahren auf über 30 Millionen Euro. Eine sozialverträgliche Entwicklung des Geländes wird dadurch erschwert. Anwohner und Aktivisten fragen: „Müssen wir das Grundstück erst besetzen?“

Die Mietenproteste der letzten Jahre dürften auch an der Einführung der sogenannten Mietpreisbremse, die Ende September von der Bundesregierung beschlossen wurde, nicht ganz unbeteiligt gewesen sein. Zukünftig dürfen Mieten bei Neuvermietungen in Gegenden mit einem angespannten Wohnungsmarkt künftig maximal zehn Prozent höher als die ortsübliche Vergleichsmiete sein. Das Gesetz hat viel Ausnahmen und Schlupflöcher. Trotzdem würde es für Wohnungssuchende etwas Erleichterung bringen. Vorausgesetzt, der Berliner Senat wendet das Instrument Ende 2015 auf Berlin an. Dem grundsätzlichen Mangel an bezahlbarem Wohnraum wird mit dem Gesetz aber nicht begegnet und auch die alternative Kulturszene mit ihren Gewerbemietverträgen nicht geschützt. Die Proteste werden also weitergehen.

Wer sich für eine soziale Stadt engagieren oder einfach nur informieren möchte – über Investoren, Freiflächen und bedrohte Projekte bis hin zu weitergehender praktischer Intervention gegen Wohnungsklau – dem bieten die Aktionstage des Berliner Ratschlages einige gute Möglichkeiten zum Andocken.

JÖRN ALEXANDER