What Zoe Saw

STADTFÜHRUNG Eine australische Bloggerin zeigt ihren Kiez, an dem sie vor allem das kulinarische Angebot in Restaurants und Supermärkten schätzt. Auch der Berliner Winter macht ihr nichts aus

Es ist ein kalter Sonntagmorgen am Görlitzer Bahnhof. Zehn Menschen haben sich heute hier versammelt, um an einer besonderen Stadtführung teilzunehmen.

„Berlinerleben erleben“ nennt sich das studentische Projekt, das von Mirko Vossen und Charlotte Weber im Zuge eines Geschäftsideen-Wettbewerbs, „Funpreneur“, der Freien Universität Berlin entwickelt wurde. Die Idee: Storywalks mit Berliner Persönlichkeiten, die abseits der herkömmlichen Stadtführungsrouten ein anderes Berlin zeigen sollen.

So wie mit Zoe Spawton, australische Bloggerin und Fotografin, die sich der wartenden Gruppe nun entschlossenen Schrittes nähert. Die 31-Jährige – moderner Kurzhaarschnitt, Strickmütze, schwarze Jeans, die in Boots stecken – wirkt auf den ersten Blick wie jemand, der in das hippe Kreuzberger Stadtbild passt. „Hi everyone, thanks for coming“, begrüßt sie die Runde und entschuldigt sich sogleich dafür, dass ihr Deutsch noch nicht gut genug ist. Spawton lacht, sodass kleine Fältchen um ihre Augen herum zu erkennen sind.

Seit zweieinhalb Jahren lebt die Australierin jetzt in Berlin. Auf ihrem Blog „What Ali Wore“ dokumentiert sie regelmäßig die Outfits des 85-jährigen Türken Ali aus Neukölln. 2013 wurde sie dafür mit dem Medienpreis Lead Award in der Kategorie „Blog of the year“ ausgezeichnet.

Vielfalt an Supermärkten

Man könnte nun erwarten, dass die moderne Nomadin ihre Gruppe zu angesagten Kreuzberger Clubs oder Flagship Stores führt. Doch stattdessen scheint sie sich ganz und gar dem Thema Essen verschrieben zu haben, das sich wie ein roter Faden durch die Tour ziehen wird. Die Wahlberlinerin ist begeistert von der großen Vielfalt an Supermärkten. So etwas gebe es in Melbourne nicht, sagt sie. An der Ecke Görlitzer Straße bleibt sie stehen und zeigt auf ein Restaurant. Wenn ihre Familie oder Freunde zu Besuch sind, führt sie sie ins „Eckbert Zwo“, ein deutsches Restaurant, um ihnen die landestypische Küche näherzubringen. Weiter gehts in Richtung Oberbaumbrücke, auf der Spawton immer ein wenig verweilt, um den Blick auf die Stadtsilhouette zu genießen.

Am liebsten erkundet die Australierin die Stadt übrigens mit dem Fahrrad. So entdeckt sie immer wieder neue Orte und entlegene Gegenden. Im Hotel Michelberger an der Warschauer Straße, wo Spawton ein paar Mal die Woche hinter der Bar steht, erzählt sie schließlich bei einem Kaffee mehr über ihre Faszination für die Hauptstadt. Von ihrer Weitläufigkeit, dem Leben im Kiez und dem Gefühl, sich beim Gang vor die Haustür „wie zu Hause zu fühlen“. Auch den Berliner Winter mit seiner eisigen Kälte empfindet sie nicht als unangenehm – ganz im Gegenteil: „In Australien merkt man keinen Unterschied, ob es nun Winter oder Sommer ist. So kommt auch nie richtige Weihnachtsstimmung auf, hier in Berlin aber schon.“

Am RAW-Tempel, dem Ort, an dem ihr Berlin-Abenteuer begann, endet die heutige Tour. Hier stand Spawton vor 2,5 Jahren mit ihrem großen Rucksack und Koffer und dachte beim Anblick des heruntergekommenen Geländes „wo bin ich denn hier gelandet“.

Fragt man die Australierin nach ihren Zukunftsplänen, sagt sie, dass ihr Berlinabenteuer noch lange nicht beendet sei: „I am hopelessly in love with Berlin“, sagt Spawton, und man nimmt es ihr ab. JASMIN ROSTAM

■ Die vorerst letzte Stadtführung „Berlinerleben erleben“ findet kommenden Samstag in Charlottenburg mit dem Galeristen Gunar Barthel statt. Weitere Führungen sind geplant. Tickets unter www.berlinerleben-erleben.de