„Keine Lager für Frauen!“

„Connected in Struggle – Feministische Kämpfe verbinden“ heißt es am Sonntag, wenn am Internationalen Frauentag zum zweiten Mal der „Frauen*kampftag“ begangen wird

■  Donnerstag, 5. März Widerstand von Frauen gegen Illegalisierung und Lager. 19.30 Uhr, Biergarten Jockel, Ratiborstr. 14c ■  Samstag, 7. März „Keine Lager für Frauen! Alle Lager abschaffen!“ Protestaktion vor dem Landtagsgebäude ab 14 Uhr, Start Potsdam Hauptbahnhof ■  Sonntag, 8. März Großdemo zum Frauenkampftag, 13 Uhr ab Rosa Luxemburg Platz frauenkampftag2015.de Women in Exile unterstützen? Meldet Euch! women-in-exile.net

Der bundesweite Frauen*kampftag ist der Versuch, feministische Bewegungen in allen Facetten und trotz ihrer Meinungsverschiedenheiten für einen Tag auf einen Nenner zu bringen. „Als plurales und heterogenes Bündnis lassen wir widersprüchliche Positionen, derer wir uns bewusst sind, zu“, so die Selbstauskunft des Bündnisses.

Nicht zuletzt versucht Mensch damit, was die Konservativ-Rechte erstaunlich geschmeidig hinbekommen hat: „Wenn AfD, Pegida und fundamentalistische Katholik*innen einen Schulterschluss schaffen und wir nicht, dann haben wir ein Problem“, meint Katrin Wagner vom bundesweiten Bündnis Frauenkampftag. Die feministische Bewegung sei schon immer voller Unterschiede und Disput gewesen, aber das sei ja auch eine Stärke. So hält man sich offen für Veränderung und Selbstreflexion. Das Ziel: ein inklusiver Feminismus, der eine Vielfalt an Identitäten und Forderungen aushält. Knapp 50 Organisationen haben den Aufruf zum Frauenkampftag 2015 unterzeichnet.

Auch „Women in Exile“ sind mit vertreten. Die Initiative von geflüchteten Frauen für geflüchtete Frauen hat im vergangenen Jahr den taz Panter Preis gewonnen. „Man tritt doch immer für das ein, was einem aus der eigenen Situation heraus am dringlichsten erscheint. Unsere Initiative kämpft für Selbstbestimmung, ein Recht auf Arbeit, ein Recht auf die Entscheidung wo und wie wir leben und gegen die diskriminierenden Asylgesetze. Für Frauen mit einem deutschen Pass ist das kein Thema. Trotzdem sind wir miteinander verbunden“, erzählt Elisabeth Ngari, Mitbegründerin des Vereins.

„Die Zustände in den Lagern belasten Frauen mehr als Männer“, weiß sie. Die wenigsten Frauen, so Ngari, kommen alleine nach Deutschland. Meist flüchten sie mit Partner und Kindern und fühlen sich verantwortlich für deren Wohl. Die Familie zusammenzuhalten in einer neuen Umgebung, die keine Privatsphäre zulässt, mutet den Frauen dabei viel zu. Zeit für Deutschkurse, sofern diese angeboten werden, oder sich über die rechtliche Situation kundig zu machen, bleibt dabei kaum. Angebote zur Kinderbetreuung sind rar. Den Alltag zu meistern, wird zur Herausforderung, wenn man sich die Räumlichkeiten mit anderen Parteien teilt. Zum Beispiel, dass die Kinder pünktlich zur Schule erscheinen, obwohl man mal wieder warten muss bis Bad oder Küche frei sind.

Women in Exile unterstützt Frauen, die unter den unmenschlichen Bedingungen des Asylsystems leben müssen und verschafft ihren Forderungen Gehör. Die unterscheiden sich wenig von denen männlicher Asylsuchender, sind ihnen aber umso dringlicher.

Das Asylsystem trifft Frauen besonders hart. Sie kämpfen mit Rassismus und Sexismus gleichermaßen. Mit unbekannten Menschen zusammenzuleben auf engstem Raum, mit all den unterschiedlichen Erfahrungen und Bedürfnissen, die dort zusammenkommen, ist ein Stressfaktor.

Nicht zuletzt, weil viele der Frauen im Herkunftsland, auf der Flucht, in den Lagern Gewalterfahrungen machen. „Sexuelle Übergriffe und physische Gewalt sind leider ein großes Thema“, erzählt Ngari.

Frauenhäuser stehen geflüchteten Frauen nur bedingt zur Verfügung, man ist darauf bisher nicht eingerichtet. Beim Dachverband der Frauenhäuser sucht man jetzt nach Möglichkeiten sich dahingehend neu aufzustellen, denn der Andrang wächst. „Women in Exile“ springen dort ein, wo das System versagt.

Viele der Frauen, die von der Initiative betreut werden, haben bereits vor ihrer Ankunft in Deutschland Gewalterfahrungen gemacht. Die meisten schweigen darüber. „Diese Frauen sind schon bei ihrer Ankunft traumatisiert und dann kommen sie ins Lager, wo sie wieder keinen Frieden finden.“ Die psychosozialen Hilfsangebote sind unzureichend. Nicht selten scheitern die Hilfsgesuche der Frauen an Bürokratie und verfügbaren Dolmetschern. Unter dem Andrang der letzten zwei Jahre spitzen sich die Missstände zu. „Zur Zeit ist die Lage so schlimm wie nie zuvor“, meint Ngari. Die Situation in den überfüllten Unterkünften sei kaum aushaltbar, das werfe die Anstrengungen der letzten Jahre um Meilen zurück. Positiv sieht sie hingegen, dass es mehr Aufmerksamkeit für die Belange geflüchteter Frauen gibt.

Das sei nicht zuletzt durch Netzwerkarbeit mit anderen feministischen Frauengruppen erreicht worden: „Wir haben alle unsere unterschiedlichen Diskriminierungserfahrungen. Das hindert uns nicht daran gemeinsam aufzutreten und füreinander einzustehen.“

SYBILLE BIERMANN