Viel Freude mit so ’n bisschen Krach

POP Ein Doppelalbum erinnert an den musikalischen Spaß mit den Berliner Funpunk-Pionieren Die Suurbiers

In ihrer Frühphase waren Die Suurbiers durchaus konkurrenzfähig mit den tollen Gruppen des Genres –wie Die Ärzte und Die Goldenen Zitronen

VON JENS UTHOFF

Es ist mir schon länger nicht mehr passiert, dass ich beim Musikhören ein dickes Grinsen im Gesicht hatte. Als aber kürzlich das Doppelalbum „Teenage Rebell“, auf dem gesammelte Werke der Berliner Punkband Die Suurbiers zu finden sind, im Dauerbetrieb lief, da musste ich zum Teil loslachen. Weil die Band Witz hat. Weil sie in ihrer Frühphase mit so viel Freude all jene anpinkelte, die es verdient hatten.

Aber man nannte es schließlich auch Funpunk, was die aus Hermsdorf stammende Combo spielte – sie darf als eine der Vorreitergruppen in diesem Genre gelten. Die Suurbiers kommen aus der gleichen Szene, der auch Die Ärzte entstammen. Hans Runge alias Sahnie, der später bei den Ärzten Bass spielte, war Gründungsmitglied. Der Geist, der auf den ersten Ärzte-Veröffentlichungen zu hören ist, ist auch bei den Suurbiers spürbar: Man parodierte die miefige deutsche Massen- und Volkskultur, teilte gegen alles und jeden aus, brach Tabus – und hatte eine Menge Spaß dabei.

Frau Suurbier, so der erste Name der Band, gründete sich Anfang der Achtziger aus einer Westberliner Schülerclique. Geprägt wurden Frau Suurbier und später eben Die Suurbiers (1984 benannten sie sich um) von Michael Wahler alias Cäpt’n Suurbier, der Gitarrist, Sänger und Texter der Band war. Der Bandname spielte auf eine Figur („Frau Suhrbier“) aus einem Sketch von Otto Waalkes an – nicht auf den gleichnamigen Charakter aus der berühmten Fernsehserie „Ein Herz und eine Seele“.

Musikalisches Denkmal

Die Suurbiers existierten mehr als dreißig Jahre in diversen Besetzungen, spielten immer mal wieder live, veröffentlichten aber nie ein komplettes Album. Das endgültige Ende der Band war leider gleichbedeutend mit dem Tod von Michael Wahler: Im Februar des vergangenen Jahres warf sich der Sänger, der jahrelang mit psychischen Problemen zu kämpfen hatte, in Berlin vor eine S-Bahn und starb.

Mit dem kürzlich erschienenen Doppelalbum, auf dem Lieder aus allen Schaffensphasen zu finden sind, will man Wahler auch ein musikalisches Denkmal setzen. Michael Beckmann, ehemaliger Suurbiers- wie Rainbirds-Bassist und heutiges Plan-B-Mitglied, hat die Veröffentlichung per Crowdfunding finanziert – das Album, in 500er-Auflage erschienen, ist fast schon wieder ausverkauft.

Hört man es, so zeigt sich, dass Die Suurbiers in ihrer Frühphase durchaus konkurrenzfähig sind mit den tollen Gruppen des Genres – Die Ärzte und Die Goldenen Zitronen wären da zu nennen. Und man erkennt auch die historische Berechtigung dieses frühen Funpunks, eines Genres, das später wohl so viele musikalische Schwerverbrechen ertragen musste wie kaum eine andere Musikrichtung.

In Songs wie „Mami’s Junge“ und „Nach Hause“, einem mit Akkordeon und schön schräger Posaune unterlegten Song, scheint fast spürbar zu werden, unter welchen Bedingungen eine Band wie die Suurbiers entstehen konnte, ja musste: In den Songtexten behandelt man immer wieder eine behagliche, heimelige Umgebung, in der man aufwuchs und der man entkommen wollte. Also gründete man seine „Rock-’n’-Roll-Band“ – mit den Eltern kommunizierte man via Song: „Mami, willst du mich hören, dann schalt einfach dein Radio ein / das hättest du wohl nicht gedacht, dass dein Junge / dir so viel Freude macht / mit so ’n bisschen Krach“.

Aber man sang auch gegen die Posthippies und Ökos an, so wird, in Anlehnung an „Grace Kelly“ von Die Ärzte, etwa „Petra Kelly“ – der frühen Grünen-Ikone – ein ironisches Liebeslied gewidmet: „Und Petra machte Frühstück auf ihrem Balkon – Weizenkeim / Dann schaute sie mir alternativ in die Augen / doch wir haben uns nicht angefasst, denn / Otto Schily hat aufgepasst“.

In Songs wie „Die Suurbiers“ und „Teenage Rebell“ tritt der Spaß an dem Aufruhr am deutlichsten zutage, indem man sich selbst feiert: „Wir sind nicht Malzbier / nicht Diätbier / nicht Sportbier / wir Suhuhuurbiers / und wir sind so geil“. Die Band produzierte zwischenzeitlich übrigens auch ein eigenes Bier.

Dennoch – auch das hört man auf diesem Album – muss man sagen, dass die Suurbiers in späteren Phasen nicht mehr annähernd den Witz, die Kraft und den Trotz entwickeln konnten, der in diesen frühen hymnischen Songs mit jedem Akkord und jedem gegrölten Chor transportiert wird.

Schorsch Kamerun von den Goldenen Zitronen schreibt in den Linernotes zum Album: „Cäpt’n Suurbier war damals der talentierteste von uns allen. Inklusive Ärzten, Hosen, all denen.“ Und Kamerun wie Rocko Schamoni erinnern sich im Begleittext, wie sie einst mit Cäpt’n Suurbier durch den Landwehrkanal schwammen. Auch das war sicher ein großer Spaß.

■ Am heutigen Record Store Day spielt eine Suurbiers-Gedächtnis-Combo ab 18.15 Uhr beim Schöneberger Plattenladen Dodo Beach, Vorbergstr. 8. Liveprogramm gibt es hier ab 12 Uhr