Schnitter und Gärtner

Volkslieder. Gefährliche Sache. In den falschen Händen kann diese Musik großen Schaden anrichten. Beim Berliner Gitarristen Hannes Buder ist diese Sorge zum Glück unbegründet. Für sein zweites Soloalbum „Changes II“ hat er sich neben eigenen Kompositionen und Improvisationen einige weniger bekannte deutsche Volkslieder vorgenommen, die er frei von Heimatkitsch – oder Schlimmerem – zu abstrakt-schwebenden Miniaturen umgestaltet. Den lyrischen Gehalt des Liedguts lässt er damit umso klarer hervortreten.

Man nehme etwa Buders Version von „Es ist ein Schnitter, heißt der Tod“, in der er die Melodie behutsam umspielt, das aber so ausgewogen und mit sparsamen dissonanten Akzenten, dass er das Lied praktisch noch einmal neu schafft. Überhaupt ist es die sichere Geste in all seinen Stücken, ob improvisiert, komponiert oder bearbeitet, der Sinn für Proportionen selbst in scheinbar anarchischen Passagen, die „Changes II“ zu einem wirklich großen Wurf machen. Mit Vergleichen soll man ja zurückhaltend sein, doch Buders Gitarrenstil kommt so reif daher, dass er an Improvisationsmeister wie Fred Frith oder Hans Reichel erinnert.

Buder, der zum festen Bestandteil der Berliner Improvisationsmusiker gehört und in diversen Projekten mitspielt, begibt sich mit diesem Solo-Werk selten auf völlig atonales Freiform-Gebiet. Harmonien, Melodien und Rhythmen bleiben erkennbar, wenn auch oft in recht freizügiger Weise gehandhabt. Genau in diesem Zwischenreich tritt Buders eigene Handschrift aufs Schönste zutage.

Weniger melodisch gibt sich das Projekt Rydberg der beiden ebenfalls zur Berliner Improvisationsmusik zählenden Klangforscher Nicholas Bussmann und Werner Dafeldecker. Mit „Rydberg“ lassen sie die Improvisation allerdings weitgehend hinter sich und fügen stattdessen geloopte Klänge zu monumental-kargen Gebilden. Anfangs arbeiten sie in „Elevator“ mit geräuschhaften Drones, bei „Gardening“, mit gut sieben Minuten Dauer das deutlich kürzeste Stück, rücken maschinenartige Beats ins Zentrum. „And the Science“ rundet die Sache dann in Gestalt eines sehr entspannt-reduzierten House-Tracks ab. Vielleicht kann man dazu sogar tanzen, wichtiger scheint hingegen die allmähliche Veränderung der Klänge in Bewegung. Die Rydberg-Konstante ist übrigens eine Formel zur Berechnung der Ionisierungsenergie des Wasserstoffatoms. TIM CASPAR BOEHME

■ Hannes Buder: „Changes II“ (Umlaut Records), Release-Konzert, 28. 4., Ackerstadtpalast

■ Rydberg: „Rydberg“ (Monotype/Cargo)