THEATER

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Die Zeiten, in denen der Künstler als Genie galt, nur sich und seiner Kunst verpflichtet, sind lange vorüber. Längst hat das Wirtschaftlichkeitsdenken des berechnenden Zeitalters, in dem wir leben, auch die Künste angesteckt. Und das Theater sowieso. Der Künstler ist nun kein Genie mehr, der seine Kunst als Gottesgabe pflegt. Nein, er ist Unternehmer, dessen Erfolg wesentlich auch von seinem Selbstvermarktungstalent abhängt.

Die Berliner Kunst- und Theaterhochschulen haben längst auch das Fach „Selbstmarketing“ in ihre Lehrpläne aufgenommen. An der UdK gibt es seit einigen Jahren ein „Career College“, wo man nach dem Studium der Kunst (und sei es der darstellenden) auch die Kunst der Selbstvermarktung erlernen kann. An der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ lehrte Ina Ross, deren im vergangenen Jahr erschienenes Buch „Wie überlebe ich als Künstler“ bereits Standardwerk für Künstlerselbstmarketing ist.

Aber Künstler wären Gott sei dank keine Künstler, wenn das Thema nicht auch Gegenstand künstlerischer Arbeit würde: Seit Februar letzten Jahres laden die Performerinnen Anne Haug und Melanie Schmidli etwa einmal im Quartal zu einer neuen Folge ihres „Projekt Schooriil“ in die Sophiensäle ein. „Schooriil“ das kommt von „Showreel“, jenem Zusammenschnitt von Kurzkostproben vergangener Darbietungen auf einem Demoband, die speziell Filmschauspieler und Musiker als Arbeitsproben an potenzielle Auftraggeber versenden. In den vergangenen Folgen von „Projekt Schooriil“ ging es um unterschiedlichste Aspekte der Karriereplanung und letztlich auch um die Tatsache, dass die ganze Biografie letztlich nur noch eine Art Showreel ist. Die nächste Ausgabe läuft am 27. August. (Sophiensäle: „Projekt Schooriil“, 27. 8., 21 Uhr)

Ja, aber die alten Themen Liebe, Revolte und der Kampf um ein freies, selbstbestimmtes Leben, die sind auch immer noch theatertauglich wie eh und je: In der Neuköllner Oper inszeniert die Regisseurin Nicole Oder nun das Musiktheaterstück „Taksim forever #Rüyalar parki“ von Can Erdogan-Sus und Kerem Can, das den Kampf um den Istanbuler Gezipark vor einem Jahr zum Ausgangspunkt für eine Geschichte über Liebe zwischen zwei Kulturen und die Frage nach der Utopie von einem anderen Leben nimmt. Ben aus Berlin verliebt sich in die Stimme der Geziparkaktivistin Leyla, die er im Radio hört und macht sich auf nach Istanbul, um Leyla zu finden. Natürlich gerät er in die Unruhen hinein. Und in die Wirren der Liebe. Ein Geschichte, die auf wahren und poetischen Gegebenheiten beruht. (Neuköllner Oper, Premiere 21. 8., 20 Uhr)