MUSIK

hört auf den Sound der Stadt

MALTE GÖBEL

Zeit für Schwurbelpop! Oder ist das zu despektierlich? Nennen wir es lieber „Diskurspop“. Oder doch „deutschsprachige Musik mit Faible für komplizierte Albentitel“.

„Das mit dem Auto ist egal, Hauptsache dir ist nichts passiert“ hieß Jens Friebes Album 2007. Zwei Jahre vorher hatte er den Indie-Hit „Lawinenhund“ mit dem Text „Ich möchte dir dienen und / Ich möchte dir Schnaps geben / Nenn’ mich Lawinenhund / Ich suche Leben“. Der Mann aus Lüdenscheid ist bekannt für schräge Texte zwischen Diskurspop und Dada, ebenso für Slackerpose mit nach hinten geschmalzten Haaren und dem wechselweise dramatischen und weltschmerzlichen Blick in die Weite. Könnte man anstrengend finden – oder ironisch. Nun kommt das neue Album mit dem kalauerhaft-genialistischen Titel „Nackte Angst zieh Dich an wir gehen aus“ – das lässt erahnen, dass Jens Friebe auf seiner neuesten Platte nur noch ungenierter seiner Wortspiellust frönt. „Ich vergriff mich im Ton bei der Podiumsdiskussion / Ich vergriff mich im Ton bei der Eurovision“, reimt er in „Hölle Hölle“, andere Songs heißen selbstoptimierungskritisch „Sei einfach nicht du selbst“ und traurig „Zahlen zusammen, gehen getrennt“. Friebe stellt die Platte Donnerstag im Bi Nuu vor. (Schlesisches Tor, 16. 10., 21 Uhr)

„Ich schäme mich, Gedanken zu haben, die andere Menschen in ihrer Würde verletzen“ hieß 1989 die Debüt-Platte der Band Mutter, was aber fast kein Mensch mitbekam. „Später werden die Leute merken, hier, das hat kein Schwein wahrgenommen, das ist aber das Geilste gewesen“, urteilte Blumfeld-Mastermind Jochen Distelmeyer in der Banddoku „Wir waren niemals hier“ (lief 2005 auf der Berlinale), und es stimmt ein bisschen: Mutter seien das linke Rammstein, die Geburtshelfer der Hamburger-Schule-Bands, Sänger Max Müller, der „Frank Sinatra von Kreuzberg“, übertönen sich die Kritiken gegenseitig, gerade jetzt, wo Mutter ihre neue Platte rausbringen, schnörkellos „Text und Musik“ betitelt. „Mutter ist direkt, geradlinig in den Texten und der Musik“, stellte Müller vor ein paar Jahren im taz-Interview fest. Nachzuhören Dienstag im HAU2. (Hallesches Ufer 32, 21. 10., 20 Uhr)

„Von allen Gedanken schätze ich doch am meisten die interessanten“, sprechsangen die Sterne 1997 auf ihrem vierten Album, „Flucht in die Flucht“ heißt das zehnte Album der Hamburger Indie-Band, das im Vergleich zu seinem Vorgänger „24/7“ wieder deutlich gitarrenlastiger geworden ist – und ihren Hang zum Schwurbelpop haben sie nicht verloren. Gleich zu Anfang der Platte singt ein Chor: „Was stehst du hier schon wieder in der Gegend rum, mir scheint, du hast zu viel Zeit“. Mittwoch im Lido. (Cuvrystr. 7, 22.10., 21 Uhr)